Der Kuss des Anubis
offerierst du mir schließlich irgendeinen Namenlosen, der auspacken könnte, den du aber leider aus unerfindlichen Gründen nicht benennen kannst.«
Er schlug den Umhang zurück und zog seinen Dolch.
»Den Namen, Ani, zum allerletzten Mal!«, verlangte er. »Sonst muss ich dich auf der Stelle verhaften - als Mitwisser und Mittäter!«
»Das ist nicht dein Ernst!«, rief Ani und wusste im gleichen Augenblick, dass es sich genau so verhielt. »Ich bin unschuldig und hab mit den Grabräubern nichts zu tun!«
Gebieterisch streckte Userkaf die freie Hand aus.
»Das Beweisstück!«, verlangte er. »Und danach deinen Dolch. Sofort!«
Ani gehorchte zögernd.
»Imeni - fessle ihn!«, verlangte Userkaf.
»Herr, ich denke, Ani würde doch niemals …«
»Willst du, dass ich auch dich in die Zelle werfen lasse?« Das türkise Amulett war bereits unter Userkafs Umhang verschwunden. »Dann tu gefälligst, was ich sage!«
Imeni zog die Seile aus dem Gürtel.
»Tut mir leid, Kleiner«, murmelte er, während er Anis Hände auf dem Rücken fesselte. »Aber noch ist nicht aller Tage Abend. Der beruhigt sich schon wieder. In der Zwischenzeit tun wir einfach, als ob …«
Ani stieß einen zustimmenden Laut aus, doch Userkafs Ohren waren offenbar gespitzt.
»Was habt ihr beiden da zu tuscheln? Zum Glück bin ich nicht unvorbereitet hierhergekommen!« Er führte zwei Finger an die Lippen und stieß einen Pfiff aus.
Wie aus dem Nichts erschienen zwei weitere Polizisten aus dem Dunkeln, junge, kräftige Männer, die Ani noch nie zuvor in der Wache gesehen hatte.
»Ja, da schaust du!«, rief Userkaf. »An tüchtigem Nachwuchs haben wir nämlich keinen Mangel. Wir sind nicht auf korrupte Krüppel wie dich angewiesen, merk dir das!«
Er wandte sich halb um, hob seinen Arm und zeigte auf Ani.
»Ins Loch mit ihm!«, befahl er. »Um die Verfolgung der Grabräuber kümmere ich mich ab jetzt selbst. Und hütet euch alle: Nur ein einziger falscher Schritt - und ihr werdet mich richtig kennenlernen!«
An die Hunde würde Eje sich niemals gewöhnen. Auch jetzt knurrten sie bei seinem Eintritt und legten die Ohren an, dabei hatten sie ihn schon unzählige Male zuvor gerochen. Anchesenamun hatte den Tick, keinen Schritt mehr ohne sie zu tun, von ihrer toten Mutter übernommen - beileibe nicht das einzige Erbe Nofretetes, wie er leider nur zu genau wusste.
»Ruf gefälligst deine Köter zurück!«, rief er, als die Hunde auf ihn zustürmten. »Ich mag das nicht - wie oft soll ich dir das noch sagen?«
»Aus, Tjesem! Platz, Tjesmet!« Ihre Stimme war schleppend, doch die Tiere gehorchten sofort. »Fühlst du dich jetzt besser, Großvater?«
»Schick die Frauen hinaus!«, ordnete er an und nach einem kurzen Befehl von ihr zogen sich die anwesenden Hofdamen lautlos zurück.
»Wieso liegst du am helllichten Tag auf dem Bett?«, fragte Eje, als er näher kam. »Ist etwas nicht in Ordnung? Bist du krank?«
Ihre Augen wurden schmal.
»Das würde einigen Leuten so passen, nicht wahr?«, sagte sie und setzte sich dabei halb auf. »Dass ich ihm doch kein Kind schenken kann. Aber sie haben sich alle getäuscht. Dieses Kind in meinem Bauch wird leben - und nicht vor der Zeit verdorren wie sein kleines armes Schwesterchen in seinem goldenen Mumienbett!«
Ihre Fehlgeburt vor drei Jahren! Eje hatte sie beinahe schon vergessen. Doch als er in ihr angespanntes Gesicht schaute, wusste er, welche Rolle dieses traurige Ereignis noch immer für Anchesenamun spielte.
»Was für ein Unsinn! Kein Mensch will, dass du dein Kind verlierst …«
»Damals war Tutanchamun selber noch ein halbes Kind«, fiel sie ihm ins Wort. »Unfähig, zu verstehen, was es für eine Frau bedeutet, solches Leid durchzumachen. So jedenfalls habe ich es mir zu seinen Gunsten ausgelegt. Inzwischen aber ist er zum Mann herangereift, ein Mann, der allerdings …«
Sie hielt plötzlich inne, musterte ihn kritisch.
»Du bist doch bestimmt nicht gekommen, um mit mir über alte Zeiten zu plaudern«, sagte sie. »Was ist los? Denn dass etwas los ist, sehe ich dir an!«
»Du korrespondierst nicht zufällig mit fremden Fürsten?« Nach reiflichem Überlegen hatte Eje sich zum Frontalangriff
entschieden. Nur so konnte er sie aus der Balance bringen - falls das Glück auf seiner Seite war.
»Was soll das heißen?« Ihre Stimme war ruhig geblieben.
»Einigen meiner Männer ist ein erstaunlicher Brief ins Netz gegangen, unterzeichnet mit Königin von Ägypten. Es erschien mir
Weitere Kostenlose Bücher