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Der Kuss des Anubis

Titel: Der Kuss des Anubis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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naheliegend, dich als Erste danach zu fragen.«
    Seine Miene war unbewegt. Nicht ein Muskel zuckte. Eine perfekte Selbstkontrolle, an der Eje lange gearbeitet hatte.
    »Schau mich doch an«, sagte Anchesenamun steif. »Ich bin schwanger. Und dieser Zustand beschäftigt mich von früh bis spät.«
    Eje machte ein paar Schritte auf sie zu, obwohl sie ihn nicht dazu aufgefordert hatte. Aus der Nähe verstand er, wovon sie redete. Er sah Schwellungen unter den Augen und Unreinheiten der Haut, die auch eine dicke Puderschicht nicht ganz kaschieren konnte. Einen dicken Pickel neben der Lippe. Erschöpft sah sie aus, fast ein wenig krank und alles andere als glücklich, wenngleich sie nach außen stets das Gegenteil behauptete.
    »Das ist gut, denn du müsstest schon sehr töricht sein, um so etwas zu tun«, fuhr er fort. »Um nicht zu sagen, strohdumm. Kemet wird niemals von einem fremden Pharao regiert werden, woher auch immer er stammen mag - wer wüsste das besser als die einzige noch lebende Tochter der großen Nofretete?«
    Er machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen.
    »Jeder, der auf diesen Wahnsinn verfällt, bekommt es mit
mir zu tun«, begann er erneut. »Ich habe so gut wie alle Menschen verloren, die ich einmal geliebt habe. Ich werde nicht zulassen, dass den beiden, die mir geblieben sind, etwas zustößt - oder sie sich gegenseitig verletzen.«
    Sie war so abrupt hochgefahren, als wäre sie versehentlich in einen Ameisenhaufen geraten.
    »Was soll dieses seltsame Gerede?«, rief sie. »Was willst du damit sagen, Großvater?«
    Schon zum zweiten Mal kurz hintereinander hatte sie ihn jetzt so genannt, ausgerechnet Anchesenamun, die sonst Monate verstreichen ließ, ohne ihre Verwandtschaft auch nur zu erwähnen! Hieß das, sie fühlte sich schuldig und hatte Angst bekommen aufzufliegen?
    Eje spürte, dass er auf einer heißen Spur war. Gleichzeitig aber sah sie so jung und mitgenommen aus, dass beinahe etwas wie Mitgefühl in ihm erwachte.
    Er vertrieb es wieder, fast gewaltsam. Sein Kopf musste klar bleiben, klar und kühl. Nur so war es möglich, der Wahrheit ein Quäntchen näher zu kommen.
    »Ich will damit nur sagen, dass ich an dich glaube, Enkelin«, antwortete er. »An deine Treue, deine Loyalität, vor allem aber an deine Klugheit. Tutanchamun ist Pharao und Gott - und er ist dein junger Ehemann. Das würdest du doch niemals vergessen.«
    »Ich habe keinen Brief geschrieben«, sagte sie nach einer Weile. »An niemanden. Falls du das wissen willst. Und ob ich klug bin?« Ihre Mundwinkel begannen sich zu kräuseln. »Klug genug jedenfalls, um zu wissen, wohin ich gehöre. Und zu wem.« Anchesenamun streckte sich und suchte nach einer bequemeren Lage. Ihr Bauch hatte sich in den letzten Wochen beachtlich gerundet und ließ sich
unter dem dünnen Gewand nicht mehr verstecken. Aber warum auch verstecken - sie hatte sich ja von Anfang an mit dieser neuen Schwangerschaft öffentlich gebrüstet. »Sind deine Fragen damit beantwortet?«
    »So gut wie.«
    Er stand auf, machte dabei jedoch eine zu schnelle Bewegung. Erneut schossen die Hunde auf ihn los, doch dieses Mal brachte eine Handbewegung seiner Enkelin die Tiere rechtzeitig zum Stehen.
    »Diese beiden sind klug!«, rief Anchesenamun. »Sie lieben mich heiß und gehorchen mir aufs Wort. Solange sie in meiner Nähe sind, muss ich jedenfalls keine Angst vor bösen Menschen haben. Ebenso wenig wie mein Ungeborenes. Das beruhigt mich ein wenig.«
    Wie ein kleines Mädchen sah sie ihn an, unschuldig, fast schon treuherzig. Die Wirkung jedenfalls war überwältigend. Konnte sie so durchtrieben sein, dass alles nur Verstellung war?
    »Sonst noch was, Großvater?«
    Er spürte zu seinem eigenen Erstaunen, dass er den Kopf schüttelte.
    »Dann würde ich jetzt gerne ein Weilchen schlafen, wenn du gestattest.« Träge streichelte sie ihren Bauch. »Ich glaube nämlich, der künftige Erbe Kemets ist gerade sehr, sehr müde.«

    Sie stritten Tage und Nächte - jedenfalls kam es Miu so vor. Manchmal flogen Türen, wie bei ihren eigenen Wutanfällen, übler noch waren aber die Gelegenheiten, bei denen
Mama mit weißem Gesicht und zusammengepressten Lippen herauskam, auf ihr Zimmer lief und es bis zum nächsten Morgen nicht mehr verließ, während Papa so übereilt zur Werkstatt aufbrach, als wären ihm Dämonen auf den Fersen.
    Etwas schwebte über der ganzen Familie, unfassbar und so bedrohlich, dass Miu sich dagegen hilflos fühlte. Nicht einmal ihre

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