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Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Der Kuss des Engels: Roman (German Edition)

Titel: Der Kuss des Engels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lukas
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Henoch selbst, der angebliche Verfasser der Schrift, wurde von Gott zu den gefallenen Engeln gesandt, denen er verkündete: »Denn sie werden sich ihrer Nachkommenschaft nicht freuen, sondern die Ermordung ihrer Geliebten schauen …« Waren damit etwa die Frauen gemeint, die doch nicht gewusst hatten, worauf sie sich einließen? Immerhin klärte sich hier auf, dass mit den Wächtern die gefallenen Engel gemeint waren. Sie ließen von Henoch eine Bittschrift aufsetzen, um von Gott unter Tränen Vergebung zu erflehen. Doch sie wurde ihnen nicht gewährt.
    »Gnade gegenüber ungehorsamen Engeln gehört nicht gerade zu seinen Stärken.«
    Sophie sprang vor Schreck so heftig auf, dass sie haltsuchend nach dem Tresen greifen musste. Das Buch flog in einem Bogen zur Seite und klatschte auf die Fliesen. Wie auch immer sie ihn eigentlich nennen sollte, aus Gewohnheit war es für sie noch Rafe, der mit verschränkten Armen im Türrahmen lehnte. Instinktiv hielt sie nach einer Waffe Ausschau, doch das Kreuz hatte sie auf dem Boden seines Zimmers vergessen, und alles andere erschien ihr gegen einen Dämon unzureichend weltlich. »Was willst du hier? Wir haben keine Verabredung.«
    Er grinste spöttisch. »Habe ich behauptet, dich in Ruhe zu lassen? Das habe ich anders in Erinnerung.«
    Langsam schob sie sich um den Tresen, um irgendetwas zwischen ihn und sich zu bringen. Er hatte so verdammt recht. Es war schwierig, seinen menschlichen Anblick mit der kurzen Vision des Ungeheuers in Zusammenhang zu bringen. Was sollte sie jetzt tun? Darauf hoffen, dass Jean oder gar die geheimnisvolle Geneviève auftauchte, um ihr beizustehen?
    »Übrigens ist es übertrieben, mich bereits als Dämon zu bezeichnen. So weit bin ich noch nicht.«
    »Wie meinst du das?«
    »Es ist ein langsamer Prozess. Was du gesehen hast, war zum Teil noch Zukunftsmusik. Selbst wenn ich dir einen Eindruck meiner wahren Gestalt gewähren würde, die nur ein Bild ist, das sich dein Gehirn von einem Geistwesen macht, wären kaum mehr als spitze Fingernägel und ein diabolisches Augenfunkeln drin. Je nach Phantasie vielleicht noch zerfledderte graue Flügel, denen die Federn ausgehen.«
    Wollte er sich über sie lustig machen? Sie öffnete den Mund zu einer Erwiderung, doch er fiel ihr bereits ins erste Wort.
    »Nein, ich meine das vollkommen ernst. Zugegeben, das mit den Flügeln amüsiert mich immer, aber die Leute sehen das, wenn man sie lässt.«
    »Wenn du glaubst, du könntest mir weismachen, dass du gar nicht gefährlich bist, hast du dich getäuscht. Jean hat mir gezeigt, wozu deinesgleichen fähig ist. Das Foto hat mir heute Nacht Albträume bereitet!«
    Er runzelte die Stirn. »Zeig mir das Bild!«
    »Kann ich nicht. Es liegt …«
    »Dann erinnere dich daran!«
    Es hatte sie solche Mühe gekostet, den grausigen Anblick zu verdrängen, dass sie ihn nicht wieder sehen wollte. Doch er sprang sie an, als habe er nur auf sein Stichwort gewartet.
    Rafe schüttelte den Kopf. »Wer der Kerl auch gewesen sein mag, auf mein Konto geht er nicht.«
    »Das heißt nicht, dass du harmlos bist«, beharrte sie, aber es erleichterte sie dennoch. Wenn man ihm überhaupt glauben kann …
    »Ob du es glaubst oder nicht«, antwortete er mit einem vielsagenden Blick, »aber verglichen mit denen, die schon ein paar Jahrtausende in der Verdammnis leben, bin ich harmlos.«
    »Ich fürchte, ich kann dir gerade nicht ganz folgen. Jean sagte, du seiest Gadreel oder so ähnlich, einer der Anführer jener Wächter, von denen bei diesem Henoch die Rede ist.« Sie deutete vage auf den Boden vor der Theke, wo das Buch liegen musste. »Demnach müsstest du doch …«
    »Quasi vorsintflutlich alt sein.« Wieder lächelte er spöttisch. »Hat er dir nicht auch gesagt, dass die Namen der Engel nach ihren Aufgaben vergeben werden?«
    Sophie schluckte. War das nur geraten, oder hatte er tatsächlich ihr gesamtes Gespräch verfolgt? Sein Lächeln verriet nichts.
    »Das bedeutet, dass sie weder exklusiv noch übermäßig individuell sind. Oder anders ausgedrückt: Ich bin nur einer von vielen, die diesen Namen tragen.«
    »Das ist mir eigentlich egal«, behauptete sie abwesend. Sehr viel bedeutsamer kam ihr vor, dass sie einige falsche Schlüsse gezogen hatte – wenn er die Wahrheit sagte. Davon war sie allerdings längst nicht überzeugt. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass er geduldig beobachtete, wie sie in Gedanken versunken herumstand. »Dann, ähm, gehörst du also nicht zu diesen

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