Der Kuss des Meeres
frage mich, was Chloe mir raten würde. Gott, ich vermisse sie. Im Gegensatz zu mir ist sie eine Expertin in Sachen Männer gewesen. Sie hat gewusst, wann sie betrügen. Sie hat gewusst, wann sie ihren Freunden Müll erzählen. Sie hat gewusst, wann sie ihre Nummer wollen, sogar wenn sie sie nur um einen Bleistift gebeten haben. Sie hätte einen Blick auf Galen geworfen und mir sagen können, warum er mich nicht küssen will, wie ich ihn dazu bringen kann und wo wir unseren Hochzeitsempfang abhalten sollen.
Zu irritiert, um meinen Weg fortzusetzen, drehe ich um. Der Geruch von Metall trifft mich wie eine Welle. Geruch? Ist das überhaupt möglich? Dann sehe ich eine Wolke von Blut. Zwei Körper im Kampf verkeilt. Eine Flosse. Zwei Flossen. Ich schreie. Er hört mich. Sie hören mich. Sie beenden ihren Kampf und die Reste eines toten Etwas wirbeln um sie herum wie Konfetti. Blutiges Konfetti.
Als ich mich wieder umdrehe, weiß ich schon, dass ich so gut wie tot bin. Die gute Nachricht ist, dass zwei Haie mich schneller töten werden als einer. Zwei Kieferpaare haben eine bessere Chance, gleich am Anfang eine wichtige Arterie zu durchtrennen. Es sollte schnell gehen. Ein Teil von mir will aufgeben und es hinter sich bringen. Der andere Teil, der mächtigere, will, dass ich wie eine Wahnsinnige schwimme. Kämpfe und trete und schlage. Dass ich diese Jagd zu ihrer härtesten mache. Und dass sie an meinen dicken Syrena-Knochen ersticken werden.
Ich höre ihr zischendes Herannahen und verkrampfe mich. Einer von ihnen rammt mich, sodass Luftbläschen aus meiner Lunge aufsteigen. Ich schreie auf und kneife die Augen fest zusammen. Niemand will zusehen, wie er stirbt. Ein Maul umklammert meine Taille, stark und fest. Der, dem es gehört, prescht so schnell los, dass mein Kopf nach hinten gerissen wird. Das war’s. Ich warte darauf, dass er seine Zähne in mein Fleisch schlägt. Aber es passiert nicht. Er schwimmt einfach weiter. Ich habe gehört, dass Alligatoren so etwas tun. Dass sie ihre Beute packen und irgendwohin bringen. Sich das Mahl für später aufsparen. Salzwasser ist wahrscheinlich das perfekte Konservierungsmittel, um meinen Kadaver frisch zu halten.
Ich zwinge mich, ein Auge zu öffnen. Und schnappe nach Luft. Kein Maul um meine Taille, so stark und fest. Ein Paar Arme. Arme, deren Umrisse ich mir bis ins Detail eingeprägt habe.
Galen. Und er ist so mörderisch wütend, dass das Wasser um uns herum eigentlich kochen müsste. Vielleicht tut es das auch. Vielleicht bewegen wir uns einfach zu schnell, um es sehen zu können. Nach dem Ausdruck auf seinem Gesicht zu urteilen, denkt er daran, mich persönlich zu töten. Vielleicht war ich mit den Haien besser dran.
Galen schwimmt lange. Er will mich nicht ansehen, will nicht mit mir reden. Und ich bin klug genug, ihn nicht anzusprechen. Nach einer Weile machen sich Jetlag, Nahtoderfahrung und die Sicherheit von Galens Armen bemerkbar. Wenn ich nicht unter Wasser wäre, würde ich gähnen. Stattdessen schließe ich die Augen…
» Emma! Emma, kannst du mich hören?«
Eine Ohrfeige schreckt mich aus dem Schlaf. » Hm?« Nicht gerade mein attraktivster Auftritt. Ich reibe mir die Augen. Er wiegt mich wie eine Prinzessin in seinen Armen. Ich sehe Sterne. Wann sind wir aufgetaucht? Billionen schöner Sterne an einem klaren Nachthimmel. Fischprinz-Charming hält mich fest. Es ist wahrscheinlich der romantischste Moment meines Lebens.
Galen ruiniert ihn, indem er knurrt: » Ich dachte, du wärst tot. Zum zweiten Mal.«
» Tut mir leid.« Das ist alles, was mir einfällt. » Oh ja, und: Danke, dass du mich gerettet hast.«
Er schüttelt den Kopf. Offensichtlich bin ich nicht mit Reden dran.
» Ich wache auf und du bist weg«, sagt er mit zusammengepresstem Kiefer. » Und dann gehst du nicht an dein Handy.«
Ich öffne den Mund, aber seine Augen weiten sich. Ich bin also immer noch nicht an der Reihe.
» Ich habe dir gesagt, dass du niemals allein ins Wasser gehen darfst…«
Das ist mein Stichwort. » Ich nehme keine Befehle entgegen, Hoheit.« Ups, an seinem zornigen Blick kann ich erkennen, dass das nicht gerade klug gewesen ist.
Er atmet mehrmals tief durch. Dann noch ein paarmal. Ich warte nur darauf, dass er anfängt zu hyperventilieren. Aber er fängt nicht an. Stattdessen packt er mein Kinn. Fest. Während er meinen Mund beäugt, wird seine Miene sanfter. Er lässt mein Kinn wieder los und späht neben uns ins Wasser.
Dann zieht er uns in die
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