Der Kuss des Satyrs
körperlichen Beschwerden davongetragen hatte. Oder hatte er – wie sie – vor dem Spiegel geübt, bis er sich nicht mehr steif gefühlt hatte? Der Gedanke ließ sie in ihre Serviette schmunzeln.
Seine gelassene, distanzierte Art machte es ihr schwer, ihn mit dem Mann, mit dem sie letzte Nacht im Bett gewesen war, in Verbindung zu bringen. Sprach deshalb niemand offen darüber, was im Ehebett vor sich ging? Vielleicht waren die Intimitäten tagsüber aus dem Gedächtnis verbannt, damit man einigermaßen normalen Aktivitäten nachgehen konnte.
»Sobald Ihr Euch eingelebt habt, wird Euch die Führung des Haushalts übertragen, soweit Ihr dies wünscht«, informierte er sie. »Ihr könnt mich oder Signore Faunus alles fragen. Er ist seit vielen Jahren ein vertrauensvoller Diener meiner Familie und wird als Vermittler zwischen Euch und dem restlichen Personal fungieren.«
»Ich habe tatsächlich eine Frage«, sagte Jane. »Das Personal – warum wird es abends weggeschickt?«
Als wollte er sich damit Zeit zum Nachdenken verschaffen, tupfte sich Nick die Lippen mit einer gestärkten, mit einem Monogramm versehenen Serviette, die ganz offensichtlich von Dienstboten gewaschen und geplättet worden war. Sie konnte sich nur wundern, woher die Dienerschaft die Zeit nahm, eine derartige Perfektion zu erreichen, wenn sie doch nur so kurz im Haus war.
»Mir ist es lieber so. Ihr werdet Euch mit der Zeit daran gewöhnen.«
»Es erscheint mir ungewöhnlich.«
Er schwenkte sein Glas, und seine blauen Augen betrachteten sie über den Rand hinweg. »Aber ungewöhnlich ist nicht gleichbedeutend mit schlecht, nicht wahr?«
Bei seinen Worten nahmen Janes Gedanken eine Richtung, die er wahrscheinlich nicht erwartet hatte. »Nein, nicht immer.«
Er nickte und widmete sich wieder seinem Essen.
Sie beobachtete ihn verstohlen. War es ihm ernst mit dem, was er sagte? Würde er etwas wirklich Ungewöhnliches gutheißen? Ein Funken Hoffnung flammte in ihr auf und weigerte sich, wieder zu verglimmen. Vielleicht, nur vielleicht, würden Emma und sie hier auf diesem Grund und Boden wahrhaftig akzeptiert werden. Von seiner Familie.
Aber sie musste vorsichtig vorgehen. Sie durfte niemals in Erwägung ziehen, ihm irgendetwas von sich zu verraten, solange sie ihn nicht viel, viel besser kannte.
An jenem Abend in dem Bewusstsein zu Bett zu gehen, dass der rätselhafte Fremde, den sie geheiratet hatte, sehr wahrscheinlich wieder zu ihr kommen würde, war eines der verstörendsten Dinge, die Jane je gemacht hatte. Wollte sie, dass er wiederkam, oder wollte sie es nicht? Sie versuchte, ihre Gefühle zu ergründen, aber sie war erfolglos.
Sie wollte gerade unter die Bettdecke kriechen, als die Tür zum Schlafzimmer ihres Mannes aufging. Sie beeilte sich, sich zu bedecken, als er näher trat.
Er schien von ihrer Eile nicht irritiert. Sein Blick wanderte zu ihrem Nachttisch, und er drehte sich abrupt zu ihrem Schminktisch um. Sie hörte das Klirren von Porzellan, dann kam er zu ihrem Bett.
Wortlos stellte er den Tiegel mit Creme, den er geholt hatte, auf ihren Nachttisch. Er hätte sein Vorhaben für diese Nacht nicht deutlicher machen können.
Wie in der vergangenen Nacht zog er seinen Morgenrock aus und warf ihn über das Fußende ihres Betts. Wie gelassen er seine Nacktheit offenbarte! Wie erlangte man einen solchen Grad an Unbekümmertheit, dass man jeglichen Anflug von Scham verlor? Sie konnte es sich nicht vorstellen.
Obwohl sie in der vergangenen Nacht bereits seine körperlichen Merkmale wahrgenommen hatte, war sie doch jetzt gefasster und konnte ihn in Gänze betrachten. Er war ein wahrhaft schöner Mann, bemerkte sie, mit überdurchschnittlicher animalischer Grazie. Jedes seiner Körperteile war wohlgeformt, starke Muskeln und kräftige Knochen bildeten Täler, Hügel und Ebenen unter seiner Haut.
Ohne Vorwarnung setzte er sich zu ihr auf die Matratze, zog die Decke herunter und fing an, ihr Nachthemd nach oben zu schieben.
Sie legte sich bequem auf den Rücken und bereitete sich darauf vor, ihre Pflicht zu erfüllen.
Dieses Mal würde es nicht so erschütternd sein, sagte sie sich. Sein Körper war ihr vertrauter, und sie wusste, was sie von dem Akt zu erwarten hatte. Ihre Tante hatte ihr versprochen, dass es beim ersten Mal am schlimmsten war.
Wenn er doch nur irgendwie versuchen würde, sie zu beruhigen. Ein paar freundliche Worte würden alles einfacher für sie machen.
Wie in der vergangenen Nacht entblößte er
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