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Der Kuss des Verfemten

Der Kuss des Verfemten

Titel: Der Kuss des Verfemten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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schlimmer kommen sollte. Vor uns lag das Taurusgebirge mit seinen schroffen Bergen, zerklüfteten Hängen und reißenden Flüssen. Die Querung der Berge zehrte unsere Kräfte fast völlig auf. In den frühen Morgenstunden des zehnten Juni im Jahre neunzig erreichten wir eine Furt über den Fluss Saleph. Es war ein malerisches Tal, in dem Schilf, Erlen und Olivenbäume wuchsen. Hier wollte der Kaiser rasten. Doch zuvor querten wir den Fluss und erreichten auch wohlbehalten das andere Ufer. Wir waren müde und staubig von der Reise. Wir richteten ein Lager ein, dann gingen einige von uns, unter ihnen der Kaiser, zurück zum Fluss, um uns zu waschen. Als Erstes stieg Barbarossa ins Wasser, doch nur bis zu den Knien. Ich sah, wie er plötzlich zusammensackte und ins Wasser fiel. Ehe wir zugreifen konnten, wurde er in die Strömung gezogen. Dabei stieß er mit dem Kopf an einen Ast und verlor die Besinnung.«
    »Oh, wie tragisch!«, entfuhr es Isabella. »War er tot?«
    »Ja. Als wir ihn aus dem Wasser zogen, lebte er nicht mehr. Ich glaube, es war einfach die Erschöpfung, das kalte Wasser, sein Alter, das Herz. Trauer und Angst erfasste das ganze Heer, aber auch Streit. Viele kehrten um, weil sie den Kreuzzug als gescheitert betrachteten.«
    »Unter ihnen Gundram?«, fragte Isabella.
    »Es war seine freie Entscheidung, und niemand hat die Heimkehrer aufgehalten. Barbarossas Sohn Friedrich der Schwabe übernahm das Kommando über diejenigen, die den Kreuzzug fortsetzen wollten. Er nahm den Leichnam seines Vaters mit und setzte ihn in Antiochia bei. Die Gebeine aber wollte er in der Basilika des Heiligen Grabes beisetzen. Dazu kam es jedoch nicht mehr. Viele unserer Kreuzritter starben an Hunger, Krankheiten und Entbehrung. Lediglich tausend Mann erreichten Akkon. Dort starb auch Friedrich der Schwabe. Ich erkrankte ebenfalls an Ruhr und Schüttelfieber. Ein Schiff nahm die Kranken mit nach Zypern. Zwei Jahre pflegten mich die Brüder eines Ordens, bis ich wieder in der Lage war, hierher zurückzukehren.«
    Ein heißes Gefühl des Mitleids ergriff Isabella, und sie streichelte immer wieder seine Hand. »Es tut mir leid«, flüsterte sie. »Ich habe dir so wehgetan mit meinen dummen Worten. Ich wusste ja gar nichts von diesen schrecklichen Entbehrungen.«
    Martin lachte bitter auf. »Bis hinter die Mauern der Heiligen Kirche sind diese Nachrichten offensichtlich nicht gedrungen. Dabei haben wir es doch im Namen der Kirche auf uns genommen!«
    Isabella senkte beschämt den Kopf. »Und wir haben nur gebetet und den Kräutergarten geharkt, während unsere tapferen Ritter zu Tausenden in fremder Erde begraben wurden!« Sie schluchzte plötzlich auf. »Ach, Martin!«
    Er zog sie in die Arme. »Nicht weinen«, versuchte er sie zu trösten. »Wir haben es ja freiwillig und mit Freuden auf uns genommen. Im Namen des Herrn schien uns nichts zu schwierig, um es nicht durchzustehen.«
    Sie sah seine blauen Augen auf sich ruhen. »Küss mich«, bat sie leise. Martin senkte seine Lippen auf ihren verführerischen Mund.
    »Meine kleine Isabella, alles ist so kompliziert. Wäre ich doch damals auch gestorben, dann hätte ich jetzt meinen Frieden!«
    »O nein, das darfst du nicht denken!« Isabella klammerte sich an ihm fest. »Es wird alles gut werden!«
    »Nichts wird gut!« Martin wandte sich ab und schenkte seinen Becher wieder voll. »Als wir zurückkehrten, wurden wir sofort von den Soldaten deines Vaters gefangen genommen. Erst wussten wir gar nicht, was geschehen war. Mir wurde nur zur Kenntnis gegeben, dass ich des Mordes am Kaiser angeklagt bin. Gundram hatte dieses Gerücht in Umlauf gebracht, damit der Herzog ihm mein Lehen zuspricht. Er hatte wohl nicht damit gerechnet, dass ich nach dieser langen Zeit noch zurückkehren würde. Meine Freunde befreiten mich, wir flüchteten – und den Rest kennst du ja!«
    »Mein Gott, es ist eine schreiende Ungerechtigkeit!«, rief Isabella aus. »Dagegen muss man doch etwas unternehmen!«
    »Ich habe etwas unternommen. Doch ich weiß, dass ich es nicht hätte tun dürfen.« Er zog sie wieder in die Arme. »Alles wäre für mich einfacher, wenn ich nicht … wenn ich dich nicht so unendlich lieben würde! O Isabella, was habe ich nur getan!«
    Er riss sie in die Arme, und Isabella ergab sich seinen wilden, verzweifelten Küssen.
    »Wir werden einen Weg finden, damit du zu deinem Recht findest und wir zueinander«, sagte sie atemlos, als er von ihr abließ.
    »Ich kann keinen Weg sehen!«,

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