Der Kuss des Verfemten
rief er, und tiefer Schmerz lag in seinem Blick.
»Verzweifle nicht, Liebster, ich stehe an deiner Seite. Gemeinsam werden wir es schaffen. Unsere Waffe ist die Liebe!«
Eng umschlungen standen sie in der kargen Halle und wähnten sich allein. Hinter dem Türvorhang verfolgten zwei glühende, schwarze Augen die heißen Liebesschwüre. Konstanze ballte ihre Hände zu Fäusten.
»Gemeiner Verräter!«, flüsterten ihre kirschroten Lippen und pressten sich fest zusammen. Gift war in ihre Seele gesät und gedieh im Sumpf der Eifersucht prächtig.
*
Der Hang neigte sich sanft zur Straße hinunter. Friedlich graste ein angepflocktes schwarzes Pferd auf dem dunkelgrünen Rasen. Scheinbar schläfrig lehnte sein Besitzer am Stamm eines Baumes und betrachtete unter halb geschlossenen Lidern die vorbeieilenden Menschen. Es waren Bauern der Umgebung, die ihre Produkte zum Markt unterhalb der Herzogsburg brachten, Händler mit ihren Waren auf Planwagen, Reisende, Kuriere, auch allerlei Bettler und Gesindel, von der Burg magisch angezogen.
Unter all den Menschen, reich oder ärmlich gekleidet, einzeln oder in Gruppen reisend, fiel eine junge Frau auf, die allein ging. Sie trug weder ein Bündel bei sich, noch schützte ein Umhang ihre ansehnliche Figur. Ihr weinrotes Kleid leuchtete weithin, ihr dichtes, schwarzes Haar wehte im Wind. Sie musste schon lange unterwegs sein, denn sie wirkte erschöpft und hungrig.
De Cazevilles Raubvogelblick erfasste sofort ihre frauliche Figur, die dunklen, glühenden Augen und ihren pfirsichfarbenen Teint. Ein leiser Ruck straffte seinen Körper. Er unterdrückte sein Begehren, denn ein untrügliches Gefühl in seinem Inneren signalisierte ihm, dass diese Frau nicht nur seine Sinne befriedigen konnte. Regungslos blieb er sitzen und verfolgte ihre müden Schritte. Erst als sie bereits ein ganzes Stück weitergegangen war, erhob er sich ohne Eile, sattelte sein Pferd und schwang sich auf. In gemächlichem Trab folgte er ihr.
Als er sich ihr auf wenige Schritte genähert hatte, trieb er sein Pferd zum Galopp an. Scharf preschte er an ihr vorbei und stieß sie wie unbeabsichtigt mit dem Fuß. Mit einem erschrockenen Aufschrei stürzte sie in den Staub der Straße.
De Cazeville zügelte sein Pferd und riss es herum. Während die junge Frau sich aufrappelte, trafen ihre Augen auf de Cazevilles besorgten Blick. Behende sprang er sofort von seinem Pferd und eilte auf sie zu. Er hockte sich neben sie nieder und zog sie sanft in seine Arme.
»Ich bin untröstlich«, sagte er mit warmer Stimme. »Ist Euch etwas passiert?«
»Nein, nein«, stammelte sie verwirrt. »Ich … au … ich glaube, mein Knie ist …«
»Lasst mich schauen, ich bin Arzt und kann Euch helfen.«
Er schob ihren Rock hoch und betrachtete das aufgeschlagene Knie. »Ich sollte es behandeln, damit es sich nicht entzündet«, sagte er weich.
»Das ist nicht nötig, edler Herr, macht Euch nicht die Mühe.«
»Aber ich bin schuld an Eurem Sturz«, widersprach de Cazeville. »Ich kann Euch nicht im Straßenstaub liegen lassen. Und als Arzt bin ich verpflichtet zu helfen, wenn ein Mensch verletzt ist.« Er lächelte, und dieses Lächeln milderte seine herben Gesichtszüge. Er versenkte seinen bezwingenden Blick in die schwarzen Augen der Schönen.
Kurzerhand hob er sie auf seine Arme und trug sie an den Straßenrand, wo er sie ins Gras setzte. Aus seiner Satteltasche entnahm er eine Salbe und dünne Leinenstreifen. Vorsichtig säuberte er die Wunde, bestrich sie mit Salbe und verband sie.
»Wie ist Euer Name?«, fragte er, während er fachmännisch das Knie behandelte.
»Konstanze«, antwortete sie und betrachtete fasziniert seine schönen Hände.
»Und was ist das Ziel Eurer Reise?«, fragte er ebenso beiläufig.
»Die Burg des Herzogs. Ich habe ihm etwas Wichtiges mitzuteilen.«
»So, so.« De Cazevilles Gesicht zeigte keine Regung. Seine ganze Aufmerksamkeit schien er Konstanzes Knie zu widmen. »Das ist aber noch ein weiter Weg. Und das zu Fuß. Ich glaube nicht, dass Ihr mit dem verletzten Knie noch so weit laufen könnt.«
»Es wird schon gehen«, erwiderte Konstanze und erhob sich. De Cazeville hielt vorsichtshalber ihre Hand, als Konstanze einige hinkende Schritte versuchte. Mitleidig schüttelte er den Kopf.
»O nein, ich muss Euch widersprechen. So könnt Ihr nicht weiterlaufen.«
Seine Augen hefteten sich lauernd auf Konstanze, die jetzt ein wenig ratlos auf ihr Knie blickte und dann den Rocksaum wieder fallen
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