Der Kuss des Verfemten
Treytnar, und jetzt soll ich Gundram von Oxensal schuldig sprechen? Wie stehe ich denn jetzt da?«
»Du kannst dein Unrecht von damals korrigieren«, zischte Isabella zurück.
»Wieso Unrecht? Ich habe Recht gesprochen«, verteidigte sich der Herzog wie ein eigensinniges Kind.
»Gundram hat gelogen!«
»Gundram ist einer meiner besten Ritter.«
»Er hat sich unentbehrlich gemacht, um Macht zu gewinnen«, erwiderte Isabella verärgert. »Und er setzt sich über deine Autorität hinweg, Vater!«
Der Herzog brummelte etwas und lehnte sich wieder zurück. Er ließ seine Augen zwischen Gundram und Martin schweifen. Dann seufzte er. Er fügte sich in das Unvermeidliche. Gedankenverloren kraulte er seinen Bart, dann wandte er sich an Gundram.
»Ritter Gundram, Ihr habt die Worte der sieben Ritter vernommen, die als Zeugen für Ritter Martin sprachen. Was habt Ihr zu Eurer Verteidigung zu sagen?«
»Ich muss mich nicht verteidigen, mein Herzog«, donnerte Gundram, »denn ich bin nicht der Verbrecher. Angeklagt ist Martin!«
»Ich verlange die Wiederaufnahme des Verfahrens!«, rief Martin. »Weil ich meine Unschuld beweisen will! Und ich will beweisen, dass Gundram sich durch seine vorsätzliche Lüge meines Lehens bemächtigt hat!«
Wieder irrten die Augen des Herzogs zwischen den beiden ungleichen Rittern hin und her. Er fühlte sich hoffnungslos überfordert. Doch als oberster Landesherr seines Herzogtums musste er die Rechtsprechung vornehmen.
Isabella beugte sich zu Martin vor. »Es wird schwer werden, Gundrams Wort hat großes Gewicht bei den Rittern. Wirst du es durchstehen?«
»Das ist unsere einzige Chance zum Glück«, flüsterte Martin. »Wir bekommen kein zweites Leben geschenkt.«
Seine Augen ruhten auf Isabella, die strahlend schön in ihrem Hochzeitskleid vor ihm saß. Doch ihre Augen waren groß und dunkel vor Besorgnis, sie wirkte aufgewühlt.
Martin unterdrückte das Bedürfnis, zu ihr auf die Empore zu springen, sie in die Arme zu reißen und zu küssen. Noch war sie nicht sein. Und ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, fürchtete sie, dass es auch niemals dazu kommen würde.
»Mein Herzog, schickt Isabella aus dem Raum! Sie ist befangen. Martin hat sie beeinflusst. Außerdem kann sie nicht beurteilen, was damals …«
Isabella schnitt ihm wild entschlossen das Wort ab, ohne Rücksicht auf die Folgen.
»Seit wann habt Ihr Angst vor einer schwachen Frau, Herr Ritter? Oder seid Ihr Eures Wortes nicht mehr so sicher?«
Gundrams Gesicht lief rot an. Er schnaubte wie ein Stier, und das Weiß seiner Augen funkelte gefährlich.
»Haltet Euch zurück, Prinzessin! Es könnte sonst Euer Schaden sein!«
Isabella hob verwundert die Augenbrauen. »Ihr droht mir?«
Stolz und Herablassung lagen in ihrer Stimme. »Wollt Ihr mich wieder in Euren Kerker werfen?«
Gundram trat einen Schritt auf Isabella zu, doch sofort waren zwei Wachen bei ihm und hinderten ihn mit ihren Lanzen. Mit verbissenem Gesicht blieb er stehen.
»Mein Herzog, ich kann nur wiederholen, was ich bereits damals sagte, als ich aus dem Kreuzzug heimkehrte. Es geschah am zehnten Juni im Jahre des Herrn Elfhundertneunzig. Wir querten den Fluss Saleph in Kleinasien und rasteten am anderen Ufer. Alle stiegen von ihren Pferden. Kaiser Barbarossa ging zum Wasser zurück, Martin folgte ihm. Wir hörten einen Aufschrei und sahen unseren Anführer hilflos in den Fluten versinken. Wir konnten ihn nur noch tot bergen. An seinem Kopf klaffte eine Wunde. Martin hat ihn niedergeschlagen! Friedrich stürzte ins Wasser und ertrank!«
»Ja, ja, das habt Ihr damals so erzählt«, bestätigte der Herzog.
»Es klingt doch sehr einleuchtend.« Er wandte sich an Martin. »So erzählt denn Eure Version.«
»Sie unterscheidet sich kaum von Gundrams Schilderung«, erwiderte Martin, und seine Augen funkelten zornig. »Bis auf die Kleinigkeit, dass ich etwa zehn Schritte hinter Barbarossa stand, als er am Ufer ausglitt und ins Wasser stürzte. Er stieß sich an Treibholz, als er in den Fluss stürzte. Das Wasser war sehr kalt, es kam aus den Bergen des Taurus, und Barbarossa war müde und erschöpft! Es war nichts weiter als ein unglückseliger Unfall!«
»Das können wir bestätigen!«, sagte einer der Ritter, die als Zeugen daneben standen. Ritter Albrecht von Meißen nickte. »Ich bestätige dies auch. Ich stand Ritter Martin am nächsten. Er hat nichts mit dem Tod des Kaisers zu tun.«
Isabella atmete tief durch. Es würde doch alles noch gut
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