Der Kuss des Verfemten
werden!
»Und warum hielt er sich zwei Jahre versteckt wie ein Verbrecher? Wenn er ein reines Gewissen gehabt hätte, dann hätte er mit uns zurückkehren können!«
»Zurückkehren?«, rief Martin. »Nur Feiglinge kehren um! Ich bin an der Seite von Friedrichs Sohn geblieben, so wie diese tapferen Männer hier!« Er zeigte auf seine Zeugen.
»Ihr nennt mich einen Feigling?«, tobte Gundram. »Der Kreuzzug war gescheitert!«
»Und für Euch ein Grund, mich beim Herzog zu diffamieren und Euch mein Lehen unter den Nagel zu reißen!« Martin hielt es nicht mehr an seinem Platz, und er stürmte auf Gundram zu. Doch er lief nur in die gekreuzten Lanzen der Wachsoldaten.
»Ritter Martin, ich ermahne Euch zur Mäßigung«, knurrte der Herzog.
»Aber es ist wahr!«, wehrte sich Martin. »Wir sind mit Barbarossas Sohn bis Akkon gezogen. Doch wir waren zu wenige! Die Feiglinge haben uns ja verlassen!«
»Er hat mich schon wieder Feigling genannt!«, heulte Gundram auf. »Und wo wart Ihr in den zwei Jahren, Feigling?« Seine dunklen Augen fixierten Martin. Isabella erwartete, dass er sich jeden Augenblick auf ihn stürzen würde. Mit einer Handbewegung wies sie die Wachen zu besonderer Aufmerksamkeit an.
»Ich lag auf den Tod mit Ruhr und Schüttelfieber darnieder.«
»In die Hosen habt Ihr Euch gemacht aus Angst vor Sultan Saladin!«, höhnte Gundram, und seine Anhänger lachten dröhnend. Martin knirschte mit den Zähnen. Es war keine Gerichtsverhandlung mehr, es war ein Schlagabtausch mit Worten, und der Herzog verfolgte ihn mit hilflosen Blicken.
»Während ich mit dem Tod kämpfte, hattet Ihr nichts Besseres zu tun, als Lügen über mich zu verbreiten. Und der Herzog hat sie geglaubt!«
»Wollt Ihr damit sagen, dass ich ein Trottel bin?«, begehrte der Herzog auf.
Martin bis sich auf die Lippen. Beinahe hätte er die provokante Frage bejaht. Doch er beherrschte sich.
»Nein, mein Herzog, ich wollte damit nur andeuten, wie kaltblütig Ritter Gundram bei seinem Betrug vorgegangen ist! Er glaubte, ich sei tot. Damit wäre sein Verbrechen niemals aufgedeckt worden!«
»Genug der Worte, sie behagen mir nicht!«, sagte der Herzog mit einer ungeduldigen Handbewegung und erhob sich. »Es scheint sehr widersprüchliche Berichte zu geben, und offensichtlich weiß keiner genau, was damals am Ufer dieses Flusses geschah. Ich habe trotzdem keinen Grund, an der Aufrichtigkeit von Ritter Gundram zu zweifeln, der mich bisher nie enttäuscht hat.«
Gundram hielt es nicht mehr auf seinem Platz. Er wandte sich zu den sitzenden Rittern des Rates um. »Ihr alle kennt mich«, rief er in pathetischem Ton und breitete seine Arme aus, als wolle er seine Friedfertigkeit beweisen. »Und ich bin einer von Euch! Gemeinsam haben wir in Freud und Leid Seite an Seite gestanden und geholfen, die Geschicke dieses Herzogtums zum Guten zu wenden. Ich bin ein Ritter, ein Mann von edlem Geblüt, von Mut und Ehre. Jetzt aber«, er streckte seine Hand aus, und sein Finger schoss wie ein Pfeil in Martins Richtung, »will man mich zu einem Verbrecher abstempeln. Und Kläger ist ausgerechnet ein gesuchter Räuber, Verbrecher, Geiselnehmer! Welche Schmach will unser Herzog noch auf mich laden, um mich zu entehren, zu diffamieren? Seit Martin zurückgekehrt ist, ist dieses Land immer gesetzloser geworden. Diebe und Mörder ziehen hindurch, Reisende setzen ihr Leben aufs Spiel, wenn sie das Herzogtum durchqueren. Und selbst die Prinzessin ist im eigenen Land nicht sicher!«
Seine Augen funkelten voll Leidenschaft, seine imposante Gestalt war die eines Führers, eines beeindruckenden Mannes, der sich seiner selbst sehr sicher war. Seine ausholenden Gesten unterstrichen seine feurige Rede.
Isabella konnte nicht umhin, diesen Ritter zu bewundern – und zu fürchten. Gundram war ein starker Mann. Fanatismus sprühte aus seinen Augen. Um sein Ziel zu erreichen, würde er jedes Hindernis aus dem Weg räumen.
»Ihr verdreht die Tatsachen, Ritter Gundram«, rief Isabella aufgebracht. In ihrer Erregung traten die Adern an ihrem Hals hervor.
Über Gundrams Gesicht flog ein Lächeln, das jedoch seine Augen nicht erreichte. Er hob in einer bittenden Geste die Hände, als wolle er den Rittern damit sagen, was die Prinzessin doch für ein hysterisches Frauenzimmer sei, das an der Spitze des Herzogtums völlig fehl am Platze war.
»Es ist eine Tatsache, dass Martin Euch in seine Gewalt gebracht hat. Es ist eine Tatsache, dass er den Herzog mit Eurer Geiselnahme
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