Der Kuss des Verfemten
zwei Hälften spalten können, wäre Martin nicht im letzten Augenblick elegant und geschmeidig ausgewichen. Von der Wucht seines Hiebes mitgerissen, taumelte Gundram seinem Schwert hinterher.
Diesen Augenblick der Unsicherheit nutzte Martin, um ihm einen seitlichen Hieb gegen den linken Arm zu versetzen. Das Blech seiner Rüstung teilte sich, und Blut quoll aus dem Spalt hervor. Gundram brüllte auf. Mit einer heftigen Bewegung riss er sich den Helm vom Kopf. Wut, Schmerz und Blutgier zeichneten sein verzerrtes Gesicht.
Auch Martin riss den Helm herunter. Er rang nach Luft und füllte seine Lungen mit dem lebenswichtigen Odem. Ihre Augen trafen sich und hielten einander in stummer Erwartung des nächsten Schlages fest.
Gundrams Lippen pressten sich zusammen, seine Wangen blähten sich auf, und trotz seiner Verletzung griff er Martin wieder beidhändig an. Es war, als wenn er diesen Schmerz brauchte, um über sich selbst hinauszuwachsen. Mit Mühe parierte Martin diesen Hieb. In Gundram stand ihm ein Gegner gegenüber, der ihm nicht nur gewachsen, sondern überlegen war. Hier half nicht nur Kraft, hier musste er mit Schnelligkeit und Köpfchen reagieren.
Gundrams Klinge blitzte wieder auf. Martin kam dem Schwert auf halbem Weg entgegen und blickte seinem Gegner in die dunklen Augen. Ein wildes Feuer loderte darin, eine alles verschlingende Mischung aus Leidenschaft, Gier und Hass. Schweiß rann über die Gesichter beider Männer, und ihr Atem rasselte wie Ketten.
Im Zurückweichen beschrieb Martin einen Kreis mit seinem Schwert und schlitzte über Gundrams Brustpanzer. Das Metall kreischte, aber der Panzer hielt. Einen Augenblick schaute Gundram verblüfft, dann grinste er breit. Er neigte den Kopf nach unten, und weiße Ringe zeichneten sich in seinen Augen ab. Er sah aus wie ein wütender Stier vor dem Angriff. Mit seinem Schwert trieb er Martin quer über den Platz.
Martin parierte und wich aus. Er wusste, dass diese wütenden Attacken seinen Gegner viel Kraft kosteten. Gundram bemerkte sehr schnell, dass Martin nur auf die erste Müdigkeit seines Gegners wartete. Deshalb blieb er stehen, um Martin zu einem Angriff zu provozieren.
Martin schlug zu. »Das ist für deine Lüge!«, keuchte er beim ersten Hieb. »Und das für Isabellas Raub!« Er hieb wieder zu. »Und das für die ermordeten Bauern!« Mit einer blitzschnellen Parade traf Gundram Martins Schwert und hielt es zwischen ihren Körpern, während er Martin mit der freien Hand einen knüppelharten Faustschlag versetzte.
Martin schlug der Länge lang in den Sand und rang nach Luft. Schweiß brannte in seinen Augen. Der Schlag hatte ihn betäubt. Wie durch einen Schleier sah er das funkelnde Schwert auf sich zusausen. Unter dem Aufschrei der Zuschauer rollte er sich beiseite. Die Schwertspitze durchbohrte den Sand. Die Rüstung behinderte Martin in seinen Bewegungen, und er verfluchte den bis dahin so wirkungsvollen Schutz. Doch schnell war er wieder auf den Beinen.
Mit einem Blick ungeduldiger Verachtung schaute Gundram auf Martin und griff erneut an. Er wollte den Kampf schnell zu Ende bringen. Er spürte den Blutverlust durch die Wunde an seinem Arm.
Noch einmal trafen sich die Klingen in wildem Tempo, und während Martin noch parierte, verspürte er die Spitze des Schwertes an seinem Bauch entlang. Etwas Feuchtes, Warmes benetzte sein Hemd und klebte am Körper.
Isabella war aufgesprungen und wimmerte in blankem Entsetzen. »Nein, lieber Gott, bitte lass es nicht zu! Lass Martin nicht sterben!« Heiße Tränen liefen über ihr Gesicht, und sie bohrte ihre Zähne in die Knöchel ihrer Hände. »Dann will ich auch nicht mehr leben!«
Gundram und Martin pressten ihre Schwerter aneinander, beide gleich stark. Keiner wich auch nur einen halben Schritt. Gundrams Augen rollten wild, und Martin sah das Gesicht seines Feindes fast hautnah neben seinem.
»Martin, pass auf!«, hörte er Rudolfs dröhnende Stimme. Als hätte Martin einen sechsten Sinn, sprang er von Gundram weg und sah, wie der blitzende Dolchstoß ins Leere ging.
»Er hat einen Dolch!«, schrien die Zuschauer entsetzt.
»Ich hätte mir denken können, dass du mit allen Mitteln kämpfst, vor allem mit unfairen«, keuchte Martin. Der Hieb an seinem Bauch schmerzte, er verlor Blut. »Aber auch das kannst du haben!«
Während Gundram Martins Attacke parierte, trat Martin ihm kräftig mit dem Fuß gegen den Oberschenkel. Gundram taumelte zurück. Ehe er sich wieder fangen konnte, griff
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