Der Kuss des Verfemten
sich den Versammelten zu. Sie drängten nach vorn, um Martin zu beglückwünschen. Isabella stand mit glänzenden Augen neben dem Thron des Herzogs und konnte ihre Rührung kaum verbergen. Sie ahnte, wie es in Martins Herz aussah. Noch besser wusste es Rudolf, der jetzt hinter seinen Freund trat und ihm die Hand auf die Schulter legte.
»Es gibt noch etwas, das nicht geklärt ist und das ich in diesem Rahmen klären will«, sagte der Herzog. Das Gemurmel verstummte. Er blickte auf seine Tochter und strich nachdenklich seinen Bart. »Mit dem Tod von Ritter Gundram von Oxensal verlor die Prinzessin ihren Bräutigam. Doch Isabella muss eine Ehe eingehen, da mir leider ein Sohn als Nachfolger versagt blieb.« Er stockte und warf einen schiefen Blick auf Isabella. »Deshalb werden wir das Turnier wiederholen. Alle Ritter sind aufgerufen …«
»Einen Augenblick, Herzog!« Der Bischof, der bis jetzt still hinter dem Thron des Herzogs gestanden hatte, trat vor. Er hielt immer noch das Kästchen mit der heiligen Reliquie in seiner Hand. »Ich weiß, dass die Ritter sich gern im Turnier messen und im fairen Wettstreit Ruhm und Ehre sammeln. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Doch Ihr wisst auch, dass es die Heilige Kirche nicht gern sieht, wenn nicht nur Ruhm und Ehre, sondern eine Frau als Siegespreis ausgesetzt wird.«
Ein unwilliges Murmeln erhob sich unter den Versammelten, und der Bischof hob beschwörend eine Hand. »Die Heilige Kirche sieht es nicht gern«, wiederholte er in schärferem Ton. »Mehrere Konzilien, das letzte erst im Jahre elfhundertdreiundneunzig, verurteilt die Abhaltung derartiger Spiele. Ich sehe mich daran gebunden, und Ihr solltet es auch, Herzog, wenn Ihr Euch nicht einer kirchlichen Strafe unterziehen wollt.«
»Aber wie sollen wir dann um die Gunst der Prinzessin ringen?«, fragte einer der Ritter und trat vor. Die anderen nickten.
»Der Herzog als Vormund der Prinzessin wird ihr einen Mann erwählen, der ihm geeignet erscheint, das Herzogtum weiterzuführen«, erwiderte der Bischof. Er wandte sich dem Herzog zu. »Ihr kennt Eure Ritter. Darunter wird es doch einen geben, der als Euer Nachfolger befähigt ist.«
Der Herzog strich wieder seinen Bart. Isabellas Körper straffte sich. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Würde sie wieder einen ungeliebten Mann bekommen? Und dann würde sie täglich Ritter Martin sehen als Berater ihres Mannes, des neuen Herzogs! Martin, den sie über alles liebte, der der einzige Mann in ihrem Leben war, dem sie sich hingegeben hatte und dem sie sich hingeben würde! In ihrer Verzweiflung fiel sie vor ihrem Vater auf die Knie.
»Vater, bitte, entscheidet nicht jetzt!«
Der Bischof beugte sich zum Herzog herunter. »Warum lasst Ihr nicht Isabellas Herz entscheiden? Ich bin überzeugt, ihre Wahl wird zum Wohle des ganzen Landes sein.«
Der Herzog schien sichtlich froh, dass ihm der Bischof die Entscheidung abgenommen hatte. Dann beugte er sich zu Isabella herüber und flüsterte ihr etwas zu. Isabella errötete heftig und schlug die Augen nieder. Aber sie nickte.
»Nun, Ritter Martin, ich glaube, mich nicht darin getäuscht zu haben, dass Euch meine Tochter … nun, sagen wir mal … gefällt. Isabella ist überzeugt, dass Ihr die Bürde eines Herzogtums tragen könnt. Und deshalb frage ich Euch, wollt Ihr Isabella zur Frau nehmen?«
Martin atmete tief durch. Seine Augen trafen Isabellas Blick. Für einen Augenblick vergaßen sie die vielen Menschen um sich herum. Sie beide waren allein auf dieser Welt, nur sie beide und ihre tiefe Liebe. Trotzdem vergaß Martin nicht, dass er ein edler Ritter war. Isabella war nicht seine Beute, nicht seine Belohnung.
Er ging zur Empore und blieb auf der untersten Stufe stehen. Dann beugte er sein Knie und nahm Isabellas Hand. »Ich würde mich glücklich schätzen, Isabella zur Frau zu gewinnen, wenn sie mich mit ganzem Herzen liebt!« Dann legte er seine Lippen auf ihren Handrücken.
Isabella schwindelte vor so viel Glück. Sie bemühte sich, ihrer Stimme Festigkeit zu geben, auch wenn sie am liebsten gejubelt hätte.
»Mit meinem ganzen Herzen bin ich die Eure, Ritter Martin. Wenn Ihr mich ebenso liebt wie ich Euch, gibt es für mich kein größeres Glück auf Erden, als mit Euch vor den Altar zu treten.«
Sie zog seine Hand zu sich heran, und Martin erhob sich. Vorsichtig löste er einen kleinen Reif aus Bronze von seinem Finger. »Es ist kein wertvoller Ring, er hat eher symbolischen Wert. Es ist das einzige, was mir
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