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Der Kuss des Verfemten

Der Kuss des Verfemten

Titel: Der Kuss des Verfemten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Hastings
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Fingern fuhr er über das geschnitzte Holz der Tür, als wolle er dem toten Material wieder Leben einhauchen. Er hörte die beiden Herzen dahinter schlagen, ihr sehnsüchtiges Seufzen und Stöhnen. Für einen Augenblick verkrampften sich seine Hände zu Fäusten, und er presste die Lippen zusammen. Lange stand er da, seine Stirn an die Tür gelehnt. Dann wandte er sich ab. Lautlos lief er durch die Gänge, bis er die Kammer erreichte, in der er mit Martin sieben Tage verbracht hatte. Er schloss die hölzernen Fensterläden und legte den Riegelbalken vor die Tür. Aus einem Beutel kramte er eine Handvoll dunkler, getrockneter Beeren hervor, die er langsam zerkaute. Er trank einen Schluck Wasser darauf und ließ sich dann in einer Ecke des Raumes nieder. Mit dem Rücken an die Wand gelehnt, begann er seine Wanderung.
    *
    Martin blieb neben dem Bett stehen und blickte auf Isabella herab. Engelsgleich lag sie auf den Rosenblüten ausgebreitet. Das schlichte Hochzeitskleid umschmeichelte ihre Figur. Bei ihrem Anblick taumelte er, als stünde er vor einem schwindelerregenden Abgrund. Für einen Augenblick schossen ihm sich wild überschlagende Gedanken durch den Kopf: ihr erstes Zusammentreffen auf der Landstraße, ihr wild entschlossenes Gesicht, das Schwert in ihrer Hand und der heftige Schmerz in seiner Seele, den sie verursacht hatte. Er sah sie mit trotzigem Schmollmund in ihrem kleinen Gefängnis auf der alten Burg, die Zornesfalten auf ihrer Stirn, ihren unschuldigen und doch so verführerischen Körper auf dem harten Bett. Und er sah ihre Angst, als er ihr das Messer an die Kehle hielt, hörte ihre verzweifelten Schreie, als das brennende Dach über ihm zusammenbrach. Er spürte den Tod ganz in seiner Nähe und die Hände, die ihn aus dessen Klauen rissen. Er sah Isabella in ihrem kostbaren Hochzeitskleid neben Gundram stehen, sah Gundrams hasserfüllten Blick und andere, bezwingende, schwarze Augen, die ihn aus dieser Welt zogen. Und einen Mann, der ihn dieser Welt wieder zurückgab. Er sah Gundrams funkelndes Schwert auf sich niedersausen und das Blut des verhassten Gegners, das im Sand der Arena versickerte. Er sah das bunte Licht in der Kirche und den toten Herzog auf dem kalten Steinboden. Und jetzt lag sie hier, Isabella, seine Frau! War es ihm zu verdenken, dass ihn plötzlich eine seltsame Schwäche erfasste?
    Isabella hatte ihn unter gesenkten Lidern betrachtet, wie er schweigend und regungslos neben dem Bett stand. Und plötzlich wurde ihr klar, was in ihm vorging. Jahre der Entbehrung waren vorbei, all das vergossene Blut, all das Leid und die Tränen. Wie viele, die seinen Weg mit ihm gegangen waren, hatten das Ziel nicht erreicht!
    Sie erhob sich und trat vor ihn. Ganz sacht streichelten ihre Hände über das dünne Leinen seines Hemdes, das er unter dem bestickten Samtwams trug. Irgendwie passte diese kostbare, prächtige Kleidung nicht zu ihm, dem tollkühnen Haudegen, dem mutigen und furchtlosen Krieger. Noch immer glaubte sie den wilden Duft nach Leder und Schweiß zu verspüren, der ihn ständig umgeben hatte. Jetzt war er Herzog, ein Landesfürst! Angstvoll richtete sie ihren Blick zu ihm auf.
    Er schien ihre Gedanken zu erraten. »Die Zeit wird es mit sich bringen«, sagte er leise. »Wir müssen uns beide daran gewöhnen.«
    Sie nickte und streifte den kostbaren Samtstoff von seinen Schultern. Nur das dünne Leinen trennte sie noch von seinem begehrenswerten Körper. Endlich, endlich, gehörte er ihr ganz! Sie zuckte zurück, als sie die Verbände unter dem zarten Stoff spürte, einen um seinen Arm, einen um seinen Bauch. Er lächelte. »Ich spüre keinen Schmerz«, sagte er.
    Er zog sie in seine Arme, und seine Lippen senkten sich auf ihre.
    Er war ein Wanderer, der eine unendliche Wüste durchquert hatte und nun vor dem köstlichen Quell einer Oase kniete. Nie hatte er ihre Liebe mehr benötigt als in diesem Augenblick. Es gab nichts mehr, was zwischen ihnen stand.
    Seine Hände liebkosten das Hochzeitskleid, das sie trug. Sie hatte auf jeglichen Luxus verzichtet. Sie war das Mädchen, das einstmals im Wald stand, im schlichten Kleid, mit wallendem, blondem Haar. Ihre Augen blickten jetzt sanft, fast besorgt zu ihm auf.
    »Geht es dir gut?«, fragte sie mit stockender Stimme.
    »Es ist mir noch nie im Leben besser gegangen«, antwortete er rau. Seine Hände tasteten über ihren Rücken und öffneten die kleinen Häkchen. Darunter loderte ihr Körper in einem nur schwer zu unterdrückenden

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