Der Kuss des Verfemten
ihren Geburtstag und ihre Vermählung zu feiern.
Die höheren Gäste, wie die Ritter, die an dem Turnier teilnehmen wollten, die Troubadoure und Edelleute, die als Abgesandte anderer Herzöge und Fürsten kamen, wohnten allesamt in der Burg.
Von Weitem erinnerte das Gewimmel an einen Ameisenhaufen, und Isabella musste lachen. Den ganzen Weg über war sie versunken in die Betrachtung der beiden sie beschützenden Ritter, die sich bemühten, mit geistreicher Unterhaltung die lange Reise so kurzweilig wie möglich zu gestalten.
Gundram von Oxensal war ein Ausbund an Kraft und Geschmeidigkeit. Seine blitzende Rüstung konnte nicht die Muskelberge verdecken, die sich darunter befanden. Sein dunkles Haar trug er ebenso exakt geschnitten wie seinen schwarzen Bart. Er trug keinen Helm, und Isabella bewunderte sein Profil mit dem energischen Kinn und der geraden Nase. Eine tiefe Narbe zog sich über seine linke Wange vom Auge bis fast zum Mundwinkel.
»Wer hat Euch das zugefügt?«, fragte Isabella.
»So ein gottverfluchter Sarazene«, erwiderte er. Isabella zuckte zurück über seine derbe Ausdrucksweise, und Gundram lächelte entschuldigend. »Verzeiht, Hoheit, aber anders kann man diese Tiere nicht bezeichnen, die unser Heiliges Land in ihrer Gewalt halten.«
»Habt Ihr ihn wenigstens angemessen bestraft?«, wollte sie wissen.
»Das möchte ich meinen. Bevor er sein Leben aushauchte und im Wüstensand den Kopf verlor, habe ich ihm die Finger einzeln abgehackt, mit denen er sein krummes Damaszenerschwert gehalten hat.« Er klopfte an seine Hüfte. »Einen dieser Finger trage ich in einem Lederbeutel immer bei mir.«
Entsetzt wanderte Isabellas Blick an seinem Körper entlang, und sie schauderte. Doch sie konnte weder einen bleichen Finger, einen Lederbeutel noch sonst etwas Auffälliges entdecken.
Sie wandte sich Wulfhard zu, einem etwas grobschlächtigen Ritter mit zotteligem braunen Haar. Er mochte ein mutiger Haudegen und Kämpfer sein, Isabellas Bild von einem feinsinnigen, durchgeistigten und untertänigen Ritter entsprach er nicht. Und doch fühlte sich Isabella in der Gesellschaft der beiden Männer sehr wohl, die sie hofierten, beschützten und ihr ein Gefühl von Sicherheit gaben. Und sie fühlte sich nun ganz als die hochgeborene Tochter des Herzogs, als eine edle Dame im Stande weit über diesen Rittern. Ein Herzogtum lag ihr zu Füßen, und Isabella füllte ihre Lungen mit dem Äther dieses überwältigenden Gefühls.
In all der Vorfreude auf den Einzug in die Burg ihres Vaters, in den Schoß ihrer Herkunft, bemerkte sie nicht die beiden Reiter, die sie in weitem Bogen überholten und eilig der Burg des Herzogs zustrebten.
»Ritter Wulfhard von Gelenau!«
Isabella zuckte zusammen und konzentrierte sich wieder auf die Gegenwart. Sie nickte ihm huldvoll zu, als er vor ihr den Griff seines Schwertes zum Gruß fasste und ein Knie beugte. Dann trat er beiseite und reihte sich in die stattliche Zahl der Ritter ein, die ihr bereits vorgestellt worden waren und jetzt entlang der Wand standen und das weitere Zeremoniell beobachteten.
»Ritter Gundram von Oxensal!«
Sie widmete ihm ein dankbares Lächeln, das er mit einem stolzen Kopfnicken quittierte.
»Edelfrau Gunilla von Wintersberg!«
Isabella schaute verblüfft auf die aufreizend schöne, schwarzhaarige Frau in dem blutroten Kleid, die sich jetzt vor ihr verbeugte. Ritter Gundram hielt ihre Hand, als sie sich wieder aufrichtete. Sie hatte eine starke Ähnlichkeit mit ihm und wirkte verführerisch, schön und stolz. War sie seine Frau? Irritiert blickte sie hinüber zu der Gruppe von vielleicht sechs oder sieben Frauen, allesamt Gemahlinnen von Rittern, die ihr vorgestellt worden waren und jetzt abwartend und getrennt von ihren Männern in einer Ecke des Saales standen. Die verheirateten Ritter nahmen natürlich nicht an dem Turnier um Isabellas Hand teil, doch sie waren Gäste des Festes.
»Meine Zwillingsschwester«, erklärte Gundram.
Isabella neigte ihren Kopf und ließ ihre Augen länger als gewöhnlich auf der makellosen Gestalt dieser Frau liegen. Sie konnte nicht ergründen, was sie an ihr faszinierte – oder ängstigte.
Gunilla stellte sich nun ebenfalls zu der Gruppe der Edeldamen, während die Ritter sich alle auf einen der Stühle setzten, die in einer Reihe entlang der Wand standen. Isabella bemerkte, dass über ihnen jeweils das Wappen und die lange schmale Fahne jedes Ritters hing.
Das waren also die Berater ihres Vaters, seine
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