Der Kuss des Verfemten
aufgeregt und fasste ungestüm seine Hände. Im gleichen Moment schreckte sie zurück über so viel Kühnheit, ihre Gefühle derart offen zu zeigen.
Martin unterdrückte ein Schmunzeln. »Und wenn ich verliere?«
Sie starrte ihn an. »Ihr würdet gewinnen, da bin ich mir sicher«, sagte sie.
»Ihr würdet mich aber nur lieben, wenn ich als Sieger hervorgehe? Oder würdet Ihr mich um meinetwillen lieben können?«
»Ihr stellt seltsame Fragen«, erwiderte sie etwas verunsichert.
»Antwortet mir, Isabella!«, forderte er sie auf. »Könntet Ihr mich auch lieben, wenn ich nicht der mutige Held bin, der siegreiche Ritter, sondern irgendein Krieger, ein Kämpfer, ein Niemand?«
Irritiert starrte sie ihn an. »Ich … ich weiß nicht … darüber habe ich noch nicht nachgedacht«, stammelte sie.
»Müsst Ihr denn erst darüber nachdenken?«, fragte er scharf. »Spürt Ihr es denn nicht?«
»Ich … bin verwirrt … diese Gefühle sind so neu für mich.« Sie senkte den Blick.
»Also spürt Ihr es doch, dieses heftige Klopfen des Herzens, den fliegenden Atem, das Kribbeln in den Adern?« Er schaute sie hoffnungsvoll an, und sie erschauerte wieder unter seinem Blick. Was war das, das sie so verunsicherte, ihre Gedanken wirbeln, ihr Herz hüpfen und ihre Lungen flattern ließ?
Er fiel vor ihr auf die Knie und umfasste ihre Hände, die in seinen völlig verschwanden. »Lasst mich Euer Ritter sein, der einzige in Eurem Herzen, lasst mich Euer Geliebter sein, der einzige in Eurem Leben – lasst mich der einzige Mann sein, dem Ihr Euch …« Er stockte.
»Ja?« Sie zog ihn zu sich auf die Bank. Sein hübsches, ebenmäßige Gesicht verschwamm vor ihren Augen, sie spürte den Stoff seiner Tunika unter ihren Händen, die Wärme seiner Haut, seinen Atem auf ihrem Gesicht.
»Schenkt mir Eure Gunst und Euer Herz, Isabella!«
Sie saßen dicht beieinander, ihre Schenkel berührten sich, sie konnten ihre Herzen schlagen hören.
»Ich … ich schenke es Euch, Herr Ritter, meine Gunst, mein Herz …«
»Auch Eure Liebe!«, forderte er.
»Meine Liebe? Ich … ich weiß nicht, ob ich sie Euch schenken kann.«
»Gibt es bereits jemand, dem Ihr sie geschenkt habt?«, fragte er, und leise Verzweiflung klang aus seiner Stimme.
»Nein! Oder doch? Er ist kein Mensch aus Fleisch und Blut, er ist – so entfernt, so unerreichbar. Und doch habe ich das Gefühl, er wäre ganz nah bei mir.«
»Wer soll das sein?«
Isabella blickte versonnen in die Ferne. »Er war plötzlich da. Ich dachte, er müsste mein Freund sein, mein Retter, mein Held. Dann stellte sich heraus, er ist … jemand ganz anderes. Und doch – ich liebe ihn!«
Martin hatte mit wachsendem Erstaunen zugehört. Ungläubig sah er ihren verklärten Blick. Er rückte von Isabella ein Stück ab. Sie schreckte aus ihren Gedanken auf und lächelte.
»Verzeiht, Herr Ritter, ich träume.«
»Wie könnt Ihr einen Menschen lieben, den Ihr gar nicht kennt?«, fragte er verwundert.
»Es ist nicht der Mensch, den ich liebe. Es ist diese seltsame Erscheinung. Vielleicht ist es mein Schutzheiliger, der plötzlich auftaucht, wenn ich in Not bin.«
»Wie heißt Euer Schutzheiliger?«
»Martin!«
»Ups!« Martin starrte sie entgeistert an. »Und Ihr glaubt, er war es, der Euch gerettet, beschützt hat?«
»Ja, und er hatte wunderschöne blaue Augen, so wie Ihr!« Sie wandte sich ihm zu und blickte ihn an.
Martin erhob sich. »Ich möchte Euch nicht weiter von Euren Träumen abhalten, Isabella«, sagte er leise.
»Aber – so bleibt doch, bitte!«, rief sie hastig und fasste wieder seine Hände. »Ich … ich fühle mich sehr wohl in Eurer Gesellschaft.«
Martin zögerte und blickte zweifelnd auf sie herab. »Wollt Ihr das wirklich?«
»Aber ja!« Sie erhob sich nun ebenfalls. Sie lächelte etwas verlegen, weil sie nicht die Zurückhaltung und Scheu an den Tag legte, die ihr angemessen gewesen wären. Und sie errötete, weil sie es selbst bemerkte.
Martin stand dicht vor ihr, und dieses reizende Geschöpf brachte ihn fast völlig um den Verstand. Mit ihren geröteten Wangen, den glänzenden Augen und den leicht geöffneten Lippen sah sie aus, als käme sie geradewegs aus dem Bett eines Geliebten. Warum nur war alles so kompliziert? Warum konnte er sie nicht einfach in die Arme nehmen, ihre süßen Lippen küssen? Er starrte auf ihren Mund, als sie vor Verlegenheit und Aufregung mit der Zungenspitze ihre Lippen befeuchtete. Er spürte ein heftiges Ziehen in seinem Bauch, und
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