Der Kuss des Verfemten
zwischen seinen Lenden regte sich etwas. Gütiger Himmel!
»Setzen wir uns!«, sagte er schnell und krümmte sich auf der Bank zusammen. In den engen Hosen, die er trug, musste er sich doch verraten!
Erleichtert setzte Isabella sich wieder neben ihn und freute sich, dass er noch bei ihr blieb. Von seinen plötzlichen körperlichen Nöten bemerkte sie nichts.
»Ihr habt ein sehr schönes Lied vorgetragen, Ritter Michael«, wechselte Isabella das Thema, und Martin war es nur recht.
»Habt Ihr einen besonders guten Lehrmeister der Sangeskunst gehabt?«
»Das will ich meinen! Er ist der beste, den es unter den Rittern gibt. Er ist nicht nur der beste Troubadour, er dichtete die schönsten chansons de geste, die ich je hörte. Und er ist der mutigste Ritter und zugleich edelste dazu, den es unter Gottes Sonne gibt.«
»Das muss ja ein besonderer Held sein. Wie ist sein Name?«
»Richard Löwenherz!«
Isabella prallte zurück. »Der Richard Löwenherz?«, fragte sie mit erstauntem Gesicht.
»Es gibt nur einen Richard Löwenherz, den König von England.«
»Aber … aber hielt ihn nicht unser ehrwürdiger Kaiser gefangen? Er ist unser Feind!«
»Mein Feind ist er nicht«, erwiderte Martin. »Ihm habe ich mein Leben zu verdanken.«
Isabella blickte ihn befremdet an. »Ein Feind rettete Euer Leben?«
»Ja, während des Kreuzzuges. Oder besser – danach! Den Beinamen ›Löwenherz‹ erhielt er wegen seines außerordentlichen Mutes und seines taktischen Geschicks. Ihm ist es zu verdanken, dass es einen zweiten Kreuzfahrerstaat im Heiligen Land gibt.«
»Das verstehe ich nicht«, widersprach Isabella und runzelte die Brauen. »Er hat doch das edle Ziel der Kreuzfahrer verraten, indem er mit diesem grässlichen Heiden, diesem Sultan paktierte! Wie kann er dann als Held gefeiert werden?«
»Weil es das Beste in dieser Situation war. Das Heer der Kreuzfahrer war geschlagen, unsere Mission war gescheitert. Er hat es geschafft, Jaffa einzunehmen.«
»Jaffa!«, schnaubte Isabella verächtlich. »Jerusalem war das Ziel! Und nun hausen dort immer noch diese heidnischen Mamelucken!«
»Was wisst Ihr denn von den Entsagungen und schrecklichen Ereignissen des Kreuzzuges?«, fragte Martin verärgert. »Ihr habt in der Stille des Klosters gelebt, alles Schreckliche der Welt wurde von Euch ferngehalten.«
»Macht Ihr mir das etwa zum Vorwurf?«, fragte Isabella entrüstet.
»Nein, natürlich nicht. Es tut mir leid, wenn ich Euch gekränkt haben sollte. Aber manchmal überkommen mich noch die Bilder wie aus einem schrecklichen Alptraum.«
»Ich nehme es Euch nicht übel«, lenkte Isabella ein. »Es kann sicher keiner nachfühlen, der nicht dabei gewesen ist, was Ihr durchstehen musstet. Kanntet Ihr etwa unseren heiligen Kaiser Barbarossa persönlich?«
»Natürlich, er war doch unser Anführer. Nie wieder wird es so eine Persönlichkeit geben wie ihn. Es war ein unersetzlicher Verlust.«
»Er soll … ermordet worden sein«, flüsterte Isabella.
Wütend fuhr Martin herum. »Glaubt Ihr etwa auch diesen Unsinn?«, fragte er.
»Wieso Unsinn? Die Soldaten meines Vaters jagen den Mörder. Es soll ein verfemter Kreuzritter sein.«
Martin schwieg. »Der Kaiser ist ertrunken, in einem Fluss, den man Saleph nennt.«
Sie neigte den Kopf. »Es wird viel erzählt«, entgegnete sie. »Ein Mörder wird immer seine Unschuld beteuern.«
»Ein Mörder ist erst ein Mörder, wenn seine Schuld bewiesen ist«, entgegnete er.
Sie schwiegen beide. Eine unsichtbare Mauer schien sich zwischen ihnen zu erheben.
»Und welche seltsame Beziehung habt Ihr zum englischen König?«, wollte Isabella wissen.
»Er nahm mich mit nach Zypern, eine wunderschöne Insel im Mittelmeer, die er eroberte und wo der Orden der Johanniter sich niedergelassen hatte. Die Ordensbrüder pflegten kranke Ritter, die aus dem Heiligen Land kamen.«
»Ihr seid erkrankt?« Mitleid schwang in Isabellas Stimme.
Martin senkte den Kopf. »Es ist ein seltsames Klima dort, sehr warm, man bekommt Durst. Oft ist das Wasser schlecht und voller Krankheiten. Ich bekam die Ruhr und Schüttelfieber und glaubte, sterben zu müssen.«
»Wie kam er aber dazu, Euch in diesen Orden mitzunehmen? Schließlich seid Ihr ein deutscher Ritter und er ein Engländer?«
»Irrtum, er wurde in Aquitanien geboren und als französischer Edelmann erzogen.«
Isabella zog die Nase kraus. »Dann ist er eben ein Franzose, das ist doch egal.«
»Ihr seid sehr intolerant, Isabella. Wenn man auf
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