Der Kuss des Verfemten
Bemerkungen waren nichts für weibliche Ohren!
Seit Tagen schlich sie heimlich zur Küche, um sich ihr Essen zu holen, wenn die anderen bereits an der Tafel saßen. Niemand schien sie zu vermissen, auch Martin kümmerte sich nicht mehr um sie.
Doch je länger sie sich in die Einsamkeit ihrer schlichten Kammer zurückzog, umso mehr verebbte die Scham darüber, was im Bad geschehen war. Und umso mehr sehnte sie sich danach, es zu wiederholen. Ein leises, unterschwelliges Begehren verdrängte die Bedenken. Sie hatte sich ihm hingegeben, es war nicht mehr rückgängig zu machen, und wenn sie ganz ehrlich zu sich selbst war, so wünschte sie es auch nicht. Nein, sie begehrte mehr davon, von diesem Kribbeln im Bauch, dem Beben ihres Herzens, dem Taumel ihrer Sinne. Wie wäre es wohl, wenn das Ganze nicht im Wasser, sondern hier, auf ihrem breiten Bett stattfinden würde …
Doch sie wartete und hoffte vergebens. Martin ließ sich nicht wieder blicken, obwohl sie ihn doch täglich von ihrem Fenster aus beobachten konnte. Die Männer trainierten an den Waffen, manchmal saßen sie auch nur plaudernd und scherzend auf dem Hof. Doch oft sah sie auch, wie er allein zum Wehrgang hinüberlief, die Stiege erklomm und dann stundenlang von den Zinnen der Mauer in die Umgebung starrte.
Ihr ganzer Trotz, ihre Ablehnung ihm gegenüber hatte sich im Badewasser des letzten Freitags aufgelöst. Sie sehnte sich nach seinen Berührungen, nach seinen leidenschaftlichen Küssen, den fordernden Bewegungen seiner Hüften. Ein wonnevoller Schauer schüttelte ihren Körper bei dem bloßen Gedanken daran. Und je mehr sie daran dachte, umso drängender wurde ihr Begehren. Sie fühlte sich mit aller Macht zu ihm hingezogen, und es war ihr plötzlich egal, was die anderen von ihr dachten. Nur wieder seine Lippen spüren, seine sanft streichelnden Hände, seinen heißen Atem …
Entschlossen erhob sie sich und verließ ihre Kammer. Suchend blickte sie sich um. Wenn der Prophet nicht zum Berg kam, musste eben der Berg …
Sie stockte mitten im Schritt, als sie Martin gewahrte. Er stand mit Konstanze auf dem Hof. Neben ihnen stand ein Korb mit Kohl. Sie unterhielten sich über etwas, das Isabella nicht verstand. Aber sie sah Konstanzes leidenschaftlichen Blick, der sich auf Martins Gesicht richtete, ihre Hände, die seine Hüften umfasst hielten. Er schien ihr etwas zu erklären, lachte, als sie trotzig die Unterlippe vorschob. Und dann zog er sie an sich und küsste sie!
Ein spitzer, überraschter Schrei entfuhr Isabella. Martin und Konstanze drehten sich um und starrten sie an. Isabella fühlte heiße Röte in ihr Gesicht steigen. Steine ballten sich in ihrem Bauch zusammen, und Zorn erfasste sie.
Martin zog seine Hände zurück und stieß Konstanze dabei unbewusst von sich. Isabellas Augen hefteten sich auf Konstanze. Doch auch Konstanzes Gesicht rötete sich. Ihre dunklen Augenbrauen zogen sich zusammen, und sie warf hasserfüllte Blicke auf die Prinzessin. Also doch! Es war nicht seine Sorge um den Boten, seine Nervosität wegen einer bevorstehenden Unterhandlung mit dem Herzog. Sie war es, dieses blonde Gift, diese hochmütige, eingebildete Prinzessin mit dem gar nicht so damenhaften Benehmen!
»Schlange!«, zischte Konstanze, packte den Korb und hastete davon. Am liebsten hätte sie Isabella ihre blauen Augen ausgekratzt, doch Martin wäre auf jeden Fall handgreiflich dazwischengegangen. Seiner hochwohlgeborenen Gefangenen durfte ja kein Haar gekrümmt werden!
»Trampel!«, schimpfte Isabella und verfolgte Konstanze mit giftigem Blick. Dann wandte sie sich Martin zu, der ein wenig verlegen vor ihr stand. Im selben Moment hatte er sich gefangen.
»Ich freue mich, dich zu sehen«, sagte er.
»Aber ich nicht!« Isabellas Augen funkelten zornig, und er bemerkte mit Entzücken die zwei kleinen, steilen Falten auf ihrer Stirn. Im selben Augenblick bemerkte Isabella es auch, und ihr Ärger verstärkte sich.
»Bastard!« Sie bemühte sich, ihrer Aufregung Herr zu werden. »Du hast mich herumgekriegt, und nun wirfst du mich weg wie einen wertlosen Lumpen. Hat es dir nicht gefallen, eine Prinzessin zu besteigen, dass du dich wieder einer trampeligen Bauernmagd zuwendest?«
»Isabella!« Martins Empörung kam aus tiefstem Herzen. Er eilte mit ausgestreckten Armen auf sie zu. »Das verstehst du falsch! Ich habe nicht …«
»Spar dir deine Worte, du Wüstling! Ich war dir zu Willen, nun ist dein Appetit gestillt. Du hast mich entehrt,
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