Der Kuss des Werwolfs - 1
würde, daran hatte er keinen Zweifel, schließlich war sie seine Seelenpartnerin.
Rhodry löste die Versammlung auf. Ein paar Werwölfe drängten sich nach vorn, um noch einige Worte mit ihm zu wechseln, die meisten strebten dem Ausgang zu. Er verließ als letzter den Raum, ging jedoch nicht zu Nolas Zimmer, sondern in seine eigenen Gemächer.
Nola hielt ihre Bluse hoch, schaute sie erst von vorn an, drehte sie dann um. Sie war weiß gewesen, als sie bei Ms. Burdens Bed & Breakfast losgewandert war, jetzt war sie am Kragen schmutzig und unter den Armen durchgeschwitzt, außerdem war sie für die Jahreszeit zu dünn. Neben der Bluse besaß sie nur noch das Nachthemd, in dem sie vorgestern Morgen aufgewacht war. Dalton hatte recht gehabt, als er gestern in der vorsichtigen Art eines Butlers ihre Kleidung bemängelt hatte. Mit der schmutzigen Bluse und in Jeans konnte sie das Zimmer nicht mehr verlassen. Was war da zu tun? Sie konnte schließlich nicht zum nächsten Geldautomaten gehen und etwas von ihrem Konto abheben, um sich Klamotten zu kaufen. Auf einem einsamen Landsitz im Schottland des 19. Jahrhunderts gab es ohnehin keinen Laden, in dem man eine Jeans und einen Pullover kaufen konnte. Und überdies gab es auch keinen Strom, keinen Fernseher, keine Autos, natürlich auch keine U-Bahn, Frauen durften nicht studieren, sondern mussten ihren Männern gehorchen. Es gab nichts von dem, was ihre Zeit ausmachte. Kannten die Leute überhaupt Banknoten, oder schleppten sie beutelweise Münzen mit sich herum?
Ihre Fragen blieben ohne Antwort, dafür klopfte es an der Tür. Dalton kam herein, seine Tochter folgte ihm. Sie trug über dem linken Arm ein Kleid, es war aus einem blassblauen, fließenden Stoff.
»Ich bringe Ihnen ein Kleid, Mylady, Meine Tochter wird Euch beim Ankleiden helfen. Gebt der Schneiderin noch ein oder zwei
Tage Zeit, dann hat sie zwei andere fertig. Bis dahin habe ich auch eine geschickte Zofe für Euch gefunden.« Der Butler verneigte sich und verließ das Zimmer wieder.
Seine Tochter verbeugte sich ebenfalls, dabei achtete sie darauf, dass der Saum des blauen Kleids nicht auf dem Boden schleifte. Als sie sich wieder aufrichtete, hielt sie das Gewand hoch, damit Nola es betrachten konnte. Der Rock floss wie ein Wasserfall zur Erde, die Taille war hoch angesetzt, und das Oberteil hatte kleine Puffärmel. Dazu gehörte eine langärmelige Bluse, die Amelia ebenfalls mitgebracht hatte. Alles sah allerliebst aus, und Nola kam der Gedanke, dass die junge Schottin ihr womöglich eines ihrer eigenen Kleider hinhielt. Das konnte sie nicht annehmen und sagte das auch.
»Mylady?« Die junge Frau klang gekränkt. »Gefällt es Euch nicht? Soll ich etwas anderes heraussuchen?«
In Nola erhärtete sich der Verdacht, dass die junge Frau ihr eines ihrer eigenen Kleider gebracht hatte.
Sie holte tief Luft. »Ist es dein Kleid, Amelia?«
»Oh, nein, nein. Das ist das Kleid einer Lady, nicht einer Frau wie mir. Ich würde es nie wagen, Ihnen eines meiner eigenen zu geben.« Amelia sprach schnell, und eine sanfte Röte überzog ihre Wangen. »Nur die Größe ist von einem meiner Kleider abgenommen — natürlich ein wenig länger, weil Ihr größer als ich seid, Mylady. Darf ich Euch nun beim Ankleiden helfen?«
Betäubt ließ Nola es zu, dass ihr das Nachthemd ausgezogen und ein Spitzenunterhemd übergestreift wurde. Das Kleid war etwas zu kurz und zu eng - die Schottin war eben klein und zierlich.
Amelia rief die Schneiderin, die Nola im ersten Moment für Amelias Mutter hielt. Doch dann erkannte sie, dass sie dafür viel zu jung war. Amelia nannte sie Ms. Burden und erklärte, dass deren Familie eine Farm in der Nähe besaß. Sie habe aber lieber eine Stellung auf Shavick Castle angenommen, als einen Bauern zu heiraten und zur Mehrung des Familienbesitzes beizutragen. Nola schaute der Schneiderin forschend ins Gesicht. War sie eine Vorfahrin der Ms. Burden, in deren Bed & Breakfast sie eine Nacht verbracht hatte, oder war es nur eine zufällige Namensgleichheit? Sie entdeckte keine Ähnlichkeit.
Ms. Burden trug ein Nadelkissen um den linken Arm gebunden und ein Kästchen, aus dem verschiedenfarbige Fäden quollen. Sie ließ eine Naht aus und steckte das Kleid unter dem Busen neu ab. Nola schätzte, dass es nicht länger als eine halbe Stunde dauerte, bis sie das geänderte Kleid überziehen konnte. Amelia hatte sich in der Zwischenzeit um Nolas Haar gekümmert und eine Frisur gezaubert, die sie »ä la
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