Der Kuss des Werwolfs - 1
wollen sich den Menschen nicht anpassen, sondern die Menschen sollen uns als ihre auserwählten Herren anerkennen. Wenn es nach den Krakauern geht, müssen die Menschen uns fürchten. Ich wünsche mir gegenseitige Achtung.«
Sie konnte sich seinen Worten nicht verschließen, dennoch … »Wie soll das gehen, wenn ihr euch verwandelt und in Wolfsgestalt zu reißenden Bestien werdet, die Menschen töten?«
»Das tun wir nicht«, widersprach Rhodry. Sein Frühstück hatte er vergessen. »Es stimmt, dass wir in Vollmondnächten Fleisch und Blut brauchen, aber es muss nicht menschlich sein. Schafe, Ziegen, Kühe oder Schweine, alles geht, selbst Hühner und Fledermäuse. Ich bezahle extra Leute, dass sie Tiere für uns halten und züchten.«
»Also dreht sich die Feindschaft um eine Kleinigkeit?«
»Keine Kleinigkeit. Politik eben. Unter den Menschen zu leben, bedeutet, einen Teil unserer Traditionen aufzugeben. Das wollen die Krakauer nicht. Darf ich neugierig sein?«
Er schaute sie bittend an, und sie musste lächeln. »Frag!«
»In deiner Zeit, wie steht es da um uns?«
»Nicht anders als heute. Die Menschen sind in ihre Technik verliebt, die meisten glauben nicht an euch.«
Die Hoffnung aus seiner Miene verschwand. »Also sind sie meinen Weg nicht weitergegangen. Wer führt sie an?«
»Das weiß ich nicht.«
»Eugene wahrscheinlich. Er wird genug zu tun gehabt haben, das Rudel zusammenzuhalten und sich gegen die anderen zu behaupten. Schade! Aber jetzt bin ich ja wieder da, um das zu ändern.«
»Wie wird man eigentlich zum Werwolf?« Sie traute sich nun doch, die Fragen zu stellen, die ihr die ganze Zeit auf der Zunge gelegen hatte.
»Man wird entweder als Werwolf geboren oder gewandelt. Wenn beide Eltern Werwölfe sind, sind ihre Kinder von unserer Art -wenn sie überleben. Unser Erbe ist stark, zu stark für viele; wir haben nicht viele Nachkommen, und die wenigsten von ihnen überleben das erste Jahr. Eugenes Seelengefährtin, Moira, ist eine geborene Werwölfin, eine der wenigen im Rudel.« Rhodry schüttelte den Kopf, als wollte er die traurigen Gedanken loswerden.
»Wie wird man zum Werwolf gewandelt?«
»Durch Blutaustausch. Es funktioniert aber nur in einer Vollmondnacht, und nur dann, wenn sie auf die kürzeste oder die längste Nacht oder auf die Tagundnachtgleiche fällt. Und der Austausch des Bluts muss freiwillig erfolgen — zumindest bei uns.«
»Ist das in anderen Rudeln anders?«
»Die Krakauer wandeln Menschen ohne deren Einverständnis.«
»Du tust das nicht?« »Natürlich nicht. Es gehört zu den Regeln des Schottlandclans, dass sich jeder frei für uns entscheiden muss.«
»Das gilt auch für mich?«
»Ganz besonders für dich, Nola. Um dich zu retten, würde ich jederzeit mein Leben geben.«
Seine leidenschaftlich hervorgestoßenen Worte stimmten sie traurig. Sie konnte ihm nicht länger ins Gesicht sehen, sondern senkte den Blick auf ihre im Schoß gefalteten Hände. Vielleicht würde er sie gehen lassen, doch wo sollte sie hin im Jahr 1818? Die Vorfahren ihrer Eltern wären sicher nicht beglückt, wenn sie bei ihnen auftauchte und behauptete, eine Ururur-Sonstwas-Enkelin zu sein.
»Du hast mich nicht gefragt, ob ich kommen wollte. Du hast mich durch die Zeit nach Schottland geholt.« Sie hatte beinahe unhörbar gesprochen, mit seinem scharfen Gehör hatte er sie dennoch verstanden. Er kam um den Tisch herum und setzte sich auf einen Stuhl neben ihr, griff nach ihren Händen. Es war die erste Berührung, seit sie auf Shavick Castle war. Nola zuckte zusammen. Statt brutalen Werwolfkrallen lagen seine Hände warm und weich über ihren, seine Daumen streichelten ihre Handrücken.
»Das weiß ich, Prinzessin, und es tut mir mehr leid, als ich sagen kann. Ich bin dir unendlich dankbar, dass du mich aus dieser Zeitschleife befreit hast. Eugene hat mir erklärt, was der Krakauer in jener Nacht getan hat. Was du getan hast — niemand außer einem Seelenpartner hätte das fertiggebracht.«
»Wie hast du mich geholt?«
»Ich weiß es selbst nicht genau. Ich könnte mir vorstellen, dass es zwischen uns ein so starkes Band gibt, dass du gespürt hast, wie sehr ich dich brauche und dass du deshalb durch die Zeit zu mir gekommen bist.«
»Als Letztes habe ich vor deinem Bild gestanden, und dann war ich hier. Kannst du mich zurückbringen in meine Zeit?«
Rhodry streichelte weiter ihre Hände und schaute sie an. Sie glaubte, in seinem Blick zu versinken. War dies das Wesen der
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