Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)
bin bei meinen Nachforschungen auf ein Buch über Dunkle Tore gestoßen«, erwiderte Morganen. »Da uns kein Priester zur Verfügung stand, musste ich improvisieren und zur zweitbesten Möglichkeit greifen. Entschuldige, Alys, aber diese Möglichkeit bestand darin, das darzubringen, was in dem Buch als ⊃Gerechtigkeitsopfer⊂ bezeichnet wird – die Seele deines Onkels musste den Niederwelten geopfert werden. Zu diesem Zweck muss man den Mörder, der das Tor geschaffen hat, genau an dem Ort töten, wo er es geöffnet hat. Dabei werden beide Enden der Passage versiegelt«, fügte er hinzu. »Daher ist jetzt auch das Tor verschlossen, durch das er die Passage betreten hat, und die Dämonen der Niederhölle können nicht durch unser Dock in unsere Welt eindringen.
Aber es gibt einen Haken bei dieser Sache. Es muss ein gerechter Tötungsakt sein, einer, der das Gleichgewicht wiederherstellt, das er durch seine Freveltaten zerstört hat. Mit anderen Worten, ein selbst herbeigeführter Tod.« Seine Lippen krümmten sich zu einem grimmigen Lächeln. »Und das erforderte genau die Methode, derer wir uns bedient haben, um ihn unschädlich zu machen – seine gegen uns gerichtete tödliche Magie zu ihm zurückzuleiten. Mach nicht so ein Gesicht, Evanor! Du bist noch am Leben. Versuch, dafür dankbar zu sein.«
» Das bin ich auch .« Evanor verzog das Gesicht. » Ich wünschte nur, wir hätten einen weiteren Spiegel zur Hand gehabt. «
Niemand wiedersprach ihm. Alys räusperte sich. »So … äh … was ist denn nun genau mit meinem Onkel passiert?«
»Die Niederwelten haben seine Seele als Gegenleistung dafür akzeptiert, dass sie die Schwachstelle im Schleier zwischen den Welten wieder verstärken, und sie werden sie dort bis in alle Ewigkeit peinigen«, erklärte Morganen. »Sein Tod war gerechtfertigt; sowohl die Himmel als auch die Höllen sind auf den Handel eingegangen. Ihr habt ja gesehen, dass die verkohlten Stellen dort, wo die Runen in das Holz eingebrannt waren, verschwunden sind. Dasselbe wäre geschehen, wenn ein hochrangiger Priester oder eine Priesterin diese Stelle gesegnet hätten.«
»Habe ich das jetzt richtig verstanden?«, unterbrach Kelly stirnrunzelnd. »Dieser hirnlose Schwachkopf Broger hätte beinahe eine Pforte zur Hölle geöffnet? Auf meinem Dock? Auf meiner Insel?«
»Ja. Aber jetzt ist alles versiegelt«, versicherte Morganen ihr. »Er kommt nicht wieder, und wir müssen auch keine Dämoneninvasion befürchten.«
»Den Göttern sei Dank«, murmelte Trevan.
Kelly verdrehte die Augen, dann sah sie ihren Mann an. »Müssen sich alle Herrscher in dieser Welt mit solchen Problemen herumschlagen?«
»Denkst du ans Abdanken?«, neckte Saber sie.
Sie dachte einen Moment darüber nach, dann wechselte sie einen Blick mit Alys. »Nein. Ich bin immer noch die beste Kandidatin für diesen Job, und er muss nun einmal gemacht werden. Also bleibe ich dabei. Wir müssen versuchen, einen Heiler hierherzuholen, der sich Evanor wenigstens einmal ansieht, was heißt, dass wir den Rat der Magier entweder überlisten oder mit ihm zusammenarbeiten müssen, und in der Zwischenzeit sollten wir zu jedem, der dort oben vielleicht zuhört, beten, dass Dominor seine Entführung überlebt und möglichst bald mit einer Frau nach Hause kommt, damit Evanor geheilt werden kann. Habe ich bei der Auflistung der vor uns liegenden Aufgaben irgendetwas übersehen?«
»Ähm …« Saber zögerte, als sich aller Augen auf ihn richteten. Er verzog das Gesicht und murmelte nahezu unhörbar: »Ich habe vergessen, die Hühner zu füttern.«
Kelly hob prompt ihre verbundene Hand. »Ich muss leider passen!«
Die anderen lachten; Wolfer räusperte sich. »Alys und ich müssen noch unsere Hochzeit vorbereiten. Wir haben nicht mehr viel Zeit. Du wirst mich doch heiraten?«, wandte er sich unsicher an seine Braut.
Das Lächeln, mit dem Alys ihn bedachte, war so süß wie damals, als sie sich das Knie aufgeschlagen und er sie getröstet hatte. »Keine Sorge, Wolfer, ich würde sogar in die Niederhölle hinabsteigen, um dich zu heiraten, wenn es unbedingt sein müsste. Aber sorg doch bitte dafür, dass es nicht sein muss, ja?«
Er hob eine Hand, um über ihre Wange zu streichen. Dabei fiel sein Blick auf das aus ihrem Haar geflochtene Armband. »Damit hast du mich schon vor Jahren an dich gebunden, Alys. Wo du hingehst, gehe ich auch hin. Aber sorg du bitte dafür, dass ich dir nicht in die Niederhölle folgen
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