Der Kuss Im Kristall
Es entging ihm nicht, dass ihre Hände zitterten und in ihren Augen Tränen schimmerten. Er vermutete, dass sie mit aller Kraft versuchte, sich zusammenzunehmen, aber er konnte sie nicht trösten. Zu heftig war die körperliche Anziehung zwischen ihnen. Wenn er damit begann, würde er erst aufhören, wenn er sie ganz besaß. Und er hatte versprochen, dass das nie mehr geschehen würde.
Zwei Mal war Alethea jetzt Ziel eines Mordanschlags gewesen, und dennoch schwor sie, dass sie außer ihm keinen Feind hatte. Und er war nicht länger ihr Feind. Ganz im Gegenteil. Aber seinetwegen drohte ihr Gefahr, und er wusste nicht, wie er sie beschützen sollte.
Heirate sie . Dieser überraschende Gedanke kam ihm so plötzlich, dass ihm um ein Haar das Herz stehen geblieben wäre. Wenn er sie heiratete, konnte er sie nach Schottland bringen und damit weit weg von den Gefahren, die in London lauerten. Wenn sie verheiratet wären, müsste er ihr nie mehr von ihrer Seite weichen und riskieren, sie durch die Launen des Schicksals zu verlieren. Das, was er nie wieder hatte tun wollen, schien ihm jetzt die beste Lösung für sein Dilemma zu bieten.
Mit einem tiefen Seufzer rückte er in seinem Sitz hin und her. Wieder regte sich in ihm das Verlangen, und er befürchtete, dass er Alethea, wenn er sie heiratete, durch seine Unmäßigkeit verlieren würde. Wenn er bei Maeve, die er nicht geliebt hatte, zu fordernd gewesen war, wie würde er sich da erst Alethea gegenüber verhalten, die er liebte?
Ja, er liebte sie. Er liebte ihre Unabhängigkeit, ihren Mut, ihre Entschlossenheit, ihre sanften Neckereien und ihre Sinnlichkeit, die so leidenschaftlich war wie seine eigene. Aber als sie sagte, sie seien beide zu verletzt, um einander zu lieben, hatte sie ihm deutlich gemacht, dass seine Aufmerksamkeiten ihr nicht länger willkommen waren.
Vor dem La Meilleure Robe kam die Kutsche zum Stehen. Er ließ Alethea vorausgehen, um aufzuschließen, während er ihr Paket nahm und den Kutscher auszahlte. Als er die Wohnung betrat, kniete sie vor dem Kamin, hatte Reisig auf die Holzscheite gestapelt und versuchte nun, durch Fächeln ein Feuer zum Leben zu erwecken.
Als das Feuer zu knistern begann, stand sie auf, streckte die Hände aus und bekannte: „Mir ist so kalt.“ Endlich durchbrach sie das Schweigen.
Er hatte hundert Fragen. Tausend. Aber sie mussten warten. Er ging zu ihr, zog sie in seine Arme und an seinen warmen Körper. Mit einem leisen Seufzer lehnte sie sich an ihn.
„Gott sei Dank bist du in Sicherheit, Alethea. Wenn er dir etwas angetan hätte …“
„Das hat er nicht“, murmelte sie an seiner Hemdbrust. Sie fing an zu schluchzen und klammerte sich an ihn, als wäre er eine Rettungsleine in stürmischer See.
„Ruhig, ruhig“, murmelte er und fühlte sich so unbeholfen in seinem Versuch, sie zu trösten. „Du bist in Sicherheit. Niemand wird dir jetzt etwas tun.“
„Ich wundere mich immerzu …“ Sie verstummte.
„Was?“, fragte er.
„Wer hasst mich so sehr, dass er meinen Tod wünscht?“
Kopfschüttelnd presste er sie noch fester an sich. „Es geht nicht um dich, Alethea. Es geht um mich. Wenn man dich tot aufgefunden hätte, hättest du mein Taschentuch in der Hand gehalten.“
„Ja“, seufzte sie. Dann legte sie den Kopf schief, um ihm ins Gesicht zu sehen, und lächelte. „Aber du hattest ein Alibi. Du warst mit Douglas zusammen in dem Pub auf der anderen Straßenseite.“
„Ja – Doogie.“ Mühsam brachte er genügend Beherrschung auf, um sie auf Armeslänge von sich wegzuschieben. „Wir müssen reden, Alethea.“ Er deutete auf einen Stuhl und bat sie, sich zu setzen. „Ich habe dich davor gewarnt, allein unterwegs zu sein. Was hattest du heute Abend vor der Taverne zu suchen?“
„Ich bin deinem Bruder gefolgt.“
„Warum? Hast du gehofft, er würde dich zu mir führen?“
„Ich dachte, er könnte der Mörder sein.“
Rob seufzte, verärgert, weil sie so wenig auf ihre eigene Sicherheit bedacht war. „Sagte ich dir nicht, du sollst das mir überlassen?“
„Ja, aber ich hatte eine neue Theorie, was die Morde betraf. Mir fiel auf, dass du nur einige der Opfer kanntest. Wenn du sie nicht alle kanntest, dann kann es nur eine Verbindung geben.“
„Und die wäre?“
„Der Mörder. Es musste jemand sein, der in etwa mit denselben Leuten Umgang pflegt wie du, aber seine eigenen Gründe für die Morde hat. Und du bist eines seiner Opfer, denn du solltest für seine Verbrechen
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