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Der Kuß von Sentze

Der Kuß von Sentze

Titel: Der Kuß von Sentze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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auch über andere
    Dinge, von denen er früher nicht gesprochen hatte.
    Er fragte mich um die Ereignisse des abgelaufenen Krie-
    ges, um den Feldherrn, um die Führer, um meine Freunde.
    Er lobte meine Handlungsweise und erging sich in den
    Folgen derselben. Er sprach mit Hochachtung von meinem
    Vater.
    Eines Tages zeigte er mir das Innere des Hauses, und
    als ich meine Verwunderung aussprach, daß dasselbe so
    viele Räume habe, da es doch so unscheinbar aussehe, ant-
    wortete er: „Es ist nur unter den großen Granitsteinen so
    klein. Ich habe das Haus, das ich die graue Sentze nenne,
    zu einer Zeit erbaut, da etwas eingetreten war, das ich
    nicht verwinden zu können gemeint habe. Ich habe es aber
    verwunden und habe wieder in die Zeit fortgelebt. Das
    Haus ist zu manchen Überwindungen gut, und ich habe
    es öfter besucht. Alle Dinge, die ich seit meiner Jugend zu
    Gutem und Großem unternommen hatte, sind nicht in Er-
    füllung gegangen. Ich habe mich gefügt und habe abermals
    in die Zeit hinübergelebt. Nur die Naturdinge sind ganz
    wahr. Um was man sie vernünftig fragt, das beantworten
    sie vernünftig.“
    Er gab mir später ein ledernes Täschchen für die Moose,
    wie er eines hatte.
    So lebten wir wieder eine Weile dahin.
    Als ich einmal spät am Nachmittage nach Hause kam,
    sah ich innerhalb der Umzäunung eine weibliche Gestalt
    zwischen den Steinen stehen. Sie hatte ein Linnengewand
    an, das mit einer matten blauen Farbe bedruckt war. Auf
    dem Haupte hatte sie einen runden, gelben Strohhut. Ne-
    ben der Gestalt stand der Hund meines Vetters. Er war
    ruhig und schien sogar freundlich. Aus der Anwesenheit
    des Hundes schloß ich, daß mein Vetter in dem Hause sein
    müsse. Ich ging daher auf dasselbe zu. Da die Gestalt an
    dem Wege stand, mußte ich ihr nahe kommen. Sie wandte
    sich um, es war Hiltiburg.
    „Du bist da, Hiltiburg“, sagte ich.
    „Ja, Vetter, ich bin da,“ antwortete sie, „um meine
    Pflicht zu tun. Mein Vater ist in der Einsamkeit, sie haben
    mir nichts davon gesagt; ich habe nur seine Rückkehr aus
    Ägypten gewußt; ich habe mir aber Kenntnis verschafft
    und bin gekommen, bei ihm zu sein, und er hat mein Hier-
    bleiben gestattet“
    „Ich glaube, du handelst gut, Hiltiburg“, sagte ich. „Es
    ist bloß recht“, antwortete sie.
    Ich wendete mich zum Gehen, sie blieb mit dem Hunde
    an ihrer Stelle zurück.
    Ich fand meinen Vetter in dem Pflanzengemache und
    übergab ihm meine Ausbeute. Er legte die Pflanzen neben-
    einander und sagte dann: „Du bist auf dem Riegelsteine ge-
    wesen, ich wüßte nicht, wo diese Dinge sonst vorkommen.“
    „Ich bin auf dem Riegelsteine gewesen“, antwortete ich.
    „Du hast schon ein gutes Auge,“ sagte er, „wir werden
    einlegen und pressen. Hiltiburg ist gekommen und wird
    hierbleiben. Wir haben jetzt in dem hölzernen Hause um
    zwei Bewohner mehr, um sie und ihre Dienerin.“
    „Ich denke, daß sie es mit gutem Grunde tat“, sagte ich.
    „So ist es“, antwortete er.
    Am Abende saßen um zwei Gäste mehr an unserem
    Tische, und zwar um zwei weibliche.
    So war es auch beim nächsten Frühmahle.
    Dann hörte ich Hiltiburg mit Wilhelm im Hause her-
    umgehen.
    Nach und nach bemerkte ich, daß es in dem Hause, in
    den Gängen, in den Wohnungen und in der Umgebung
    reinlicher sei. Zu unseren Speisen gesellten sich nach und
    nach Zutaten, und wir hatten morgens Milch, Tee, Kaf-
    fee, Butter und kalten Braten, mittags Suppe, Rindfleisch,
    Gemüse und noch irgendeine Speise und des Abends die
    Speisen wie des Morgens, nur noch einen warmen Braten
    dazu. Wenn Walchon von einer Speise zwei Male nahm,
    kam sie öfter auf den Tisch. Alle gewöhnten sich an die
    neue Ordnung, es wurde nichts mehr darüber gesprochen.
    Auch eine Magd kam noch in das Haus.
    Ich konnte nicht gleich nach Hiltiburgs Ankunft fortge-
    hen, weil es aufgefallen wäre. Ich blieb also da.
    Hiltiburg ging immer in einfachen Linnenkleidern, die
    mit irgendeiner Farbe und Zeichnung bedruckt waren. Auf
    dem Haupte hatte sie stets den runden Strohhut und an
    den Füßen starke Stiefelchen. Sie trug auch oft ein graues
    Kleid wie ihr Vater, und wenn sie zu einer Zeit im Walde
    oder in der Gegend herumging, hatte sie auch ein Leder-
    täschchen um ihre Schultern hängen. Man sah sie öfter,
    und nach und nach immer länger, mit ihrem Vater gehen.
    Wenn es spät Abend wurde, oder auch selbst in der Nacht,
    hörten wir die Töne ihrer Harfe aus ihrem Zimmer.
    Ich sprach nun öfter mit

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