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Der Kuß von Sentze

Der Kuß von Sentze

Titel: Der Kuß von Sentze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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gegrüßt, Hiltiburg“, sagte ich.
    Die Basen Mathilt und Ada kamen herzu. Die Mäd-
    chen waren gleich den anderen zum Feste gekleidet. Mat-
    hilt hatte zu ihren braunen Haaren ein blaßblaues Kleid
    mit dem weißen Durchschimmer eines Überkleides, und
    Ada hatte zu ihrem Blond ein schwach rosenrotes Kleid
    mit weißem Übergewande. Die Base und die Mädchen be-
    grüßten mich herzlich. Sie nannten gleich meinen Namen
    mehreren Männern und Frauen, die herumstanden, und
    riefen andere herzu, denen sie mich vorstellten.
    Dann wurde ich in den Festsaal geführt.
    Er war ein großes Zimmer mit grauen Wänden, die
    in dem Lichte zahlreicher Kerzen schimmerten. In einer
    Ecke stand ein Klavier, an dem ein Mann saß, unter dessen
    Händen die Töne in den Saal strömten. Junge Mädchen
    und Männer führten Tänze auf, die ruhiger und vielleicht
    auch lieblicher waren, als man sie jetzt sieht. Die Mädchen
    waren entweder weiß oder färbig gekleidet. Die weißen
    hatten ein färbiges, die färbigen ein weißes Übergewand.
    Sie waren mit Blumen, Schleifen, selbst auch Juwelen ge-
    schmückt. Die Männer waren alle im schwarzen Anzuge.
    Es waren schöne Mädchen da, es waren sehr schöne Mäd-
    chen da, es waren außerordentlich schöne Mädchen da.
    Als aber Hiltiburg in den Saal trat, sah man, daß von dem
    schönsten Mädchen zu ihr noch ein hoher Abstand em-
    porging. Unter den jungen Männern waren feine Gestalten
    und manche einnehmende Gesichtszüge. An den Wänden
    des Zimmers saßen Mütter, Basen, ältere Schwestern oder
    andere aus dem weiblichen Geschlechte herum und sahen
    dem Tanze zu. Ich tat es auch eine Weile, wurde aber dann
    von meiner Base und anderen in das Vergnügen hineinge-
    zogen.
    Hiltiburg tanzte nicht. Sie hatte das durch die Wahl
    des schwarzen Kleides erklärt, und wer es nicht verstand,
    dem sagte sie es. Man wußte den Grund nicht, und sie gab
    keinen an. Sie saß in einer Ecke in einem roten Sessel und
    sah auf die Dinge vor sich.
    Ich ging nun auch in die anderen Zimmer. Neben dem
    Tanzsaale war ein Gemach zu Gesprächen. Ich redete dort
    mit einigen Anwesenden und ging dann weiter. In dem
    nächsten Gemache waren grüne Tische, an denen Männer
    saßen und mit Karten spielten. Dann war der Speisesaal,
    in welchem gedeckt war, um zu einer gewissen Stunde ein
    Abendessen einzunehmen.
    Hierauf ging ich wieder in den Tanzsaal zurück. Ich
    beschäftigte mich jetzt auch mit Hiltiburg. Viele Männer,
    jüngere und ältere, waren um sie und brachten ihr Hul-
    digungen dar. Sie sah mit den großen Augen auf sie und
    sprach mit ihnen. Ich konnte aber nicht erkennen, daß sie
    einem von ihnen einen Vorzug gab. Ich redete auch mit ihr,
    aber kurz. Ich hielt mich überhaupt an diesem Feste ziem-
    lich ferne von ihr, damit sie nicht glaube, daß ich Rechte
    geltend machen wolle.
    Nach Mitternacht war das Essen, dann waren noch ei-
    nige Tänze, dann war das Fest aus, und ich verfügte mich
    in meine Wohnung.
    Von dem Tage an entwickelte sich zwischen mir und
    dem Hause der Base Laran ein Verkehr, wie er bei Verwand-
    ten gebräuchlich ist. Ich mietete mir, um der Unruhe eines
    Gasthofes zu entgehen, zwei freundliche Zimmer in einem
    gewöhnlichen Wohnhause und ging von dort, zwar nicht
    alle Tage, aber so oft zur Base, als es sich schicken wollte.
    Ich lernte bei ihr Menschen kennen; denn sie versammelte
    gerne zu Zeiten größere oder kleinere Kreise um sich, und
    Freunde und Freundinnen des Hauses gingen stets ab und
    zu. Ich wurde auch zu anderen Menschen eingeführt, und
    wir machten gelegentlich mancherlei Besuche. Sonst be-
    schäftigte ich mich in meinem Zimmer oder suchte mich
    über das Wesen der Hauptstadt besser zu unterrichten, als
    es mir bei früheren Aufenthalten möglich gewesen war,
    oder ging mit einigen Männern um, mit denen ich mich
    zusammengefunden hatte.
    In Wien war damals ein großer Aufwand und ein Prunk
    in Wohnungen, Geräten und Kleidern, obwohl er gegen
    dem, was jetzt ist, bescheiden genannt werden konnte. Aber
    alle übertraf in diesen Dingen die Muhme Hiltiburg. Was
    ich bei der Base Laran oder bei anderen Menschen oder
    auf den Straßen und Plätzen der Stadt oder an öffentlichen
    Orten oder bei Festen oder bei feierlichen Aufzügen oder
    sonstigen Angelegenheiten sah, blieb weit hinter dem zu-
    rück, was ich an der Muhme Hiltiburg erblickte. Wie schon
    bei dem Tanzfeste der Base Laran ihr Kleid, wenn es auch
    nur von schwarzer Seide war, doch alle anderen an

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