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Der Kuss

Der Kuss

Titel: Der Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kooky Rooster
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Kind bin!“, forderte er sogleich. Seine Mutter hatte mehr Fragezeichen im Gesicht als Sinnesorgane, ihr Gehirn lief auf Hochbetrieb, sie musste die Scherben ihres vorhin errichteten und nun wieder zerstörten, tragischen Weltbilds neu ordnen.
    „Aber ist Lu nicht das Mädchen, das dir Lukas ausgespannt hat?“, wollte sie wissen.
    „Na, das wohl eher umgekehrt“, brummte Michael vor sich hin.
    „DU wolltest sie IHM ausspannen? Ein schwangeres Mädchen? Michael!“, empörte sich seine Mutter, und ihr Aggressionsbarometer schnellte sehr rasch nach oben.
    „So hab ich das nicht gemeint“, beschwichtigte Michael rasch.
    „Wie denn dann, wenn ich fragen darf?“, stieß sie harsch aus und durchbohrte ihren Sohn mit ihrem Röntgenblick.
    „Vergiss es!“, brummte Michael und machte sich daran, den Einkauf fertig einzuräumen. Verdächtiger ging nicht.
'Unaufgeforderte Mithilfe im Haushalt ist die reinste Form eines Schuldeingeständnisses'
, so lautete wohl die erste Lektion im
'Handbuch für Söhne alleinerziehender Mütter'
. Michaels Mutter schaute ihrem Sohn bei der Arbeit zu und übte sich in simpler Arithmetik.
    „Das Mädel hat sich zwischen dich und Lukas gedrängt?“, war ihre brillante Schlussfolgerung. Michael spürte purpurrote Flecken seinen Hals hochwandern und auf seinen Wangen brennen. Die Ohren waren nur Momente davor, nach verbrutzeltem Fleisch zu riechen.
    „Treffer! Versenkt!“, bestätigte sich seine Mutter in ihrer Annahme selbst. Michael tastete nach den Lebensmitteln, er sah sie nicht mehr, so verschwommen war sein Blick. Jeder Versuch sich zu beherrschen schlug fehl und als er sich wieder der Einkaufstasche zuwandte stürzten Tränen wie Perlen von seinen Wimpern und klatschten auf den Einkauf, wie große Tropfen eines Sommergewitters.
    Das Schweigen seiner Mutter nahm die Ausmaße eines schwarzen Lochs an. Es war nicht bloß Stille, es war das absolute Nicht-Geräusch, Antilärm, der temporäre Tod der akustischen Welt. Noch stiller, und Michaels Ohren wären implodiert.
    „Ist da …“, begann seine Mutter unsicher, leise, als spräche sie mit einem Floh, ließ den Satz wieder in die endlose Tiefe der Schallwellenabstinenz versinken. Michael leckte über seine salzige Oberlippe, spürte sich nicht mehr, der Atem verkam zu einem Martyrium – er ging zu schnell, zu langsam, zu tief und zu flach – er fühlte sich falsch an, verschoben, raunte nach Kontrolle und entzog sich ihr doch.
    „Gibt es vielleicht etwas –
anderes
, was du mir sagen möchtest?“, fragte seine Mutter so zaghaft, als habe sie Angst, mit ihrer Stimme fragile Porzellanskulpturen zu zerbrechen. Michael knallte eine Konservendose auf den Tisch und stürmte aus der Küche.
    „Nein!“, würgte er dabei hervor.
    Er hatte Panik. Er wollte sich zunächst aufs Bett schmeißen, doch das konnte er nicht, sein Körper verlangte nach Bewegung. Er lief in seinem Zimmer auf und ab, japste nach Luft, kämpfte mit Schwindelgefühlen. Nach einigen Minuten schob sich seine Mutter durch die Tür und musterte ihren Sohn dabei, wie er, ähnlich einem wilden Tier hinter Gitterstäben, betäubt hin und her tigerte.
    „Du sollst wissen, dass das Schlimmste, das du mir je hättest antun können, ja nun besprochen wurde und hinter uns liegt. Was auch immer du sonst … auf dem Herzen hast, es ist nicht halb so schlimm.“
    Sie hielt das anscheinend für eine herzliche Einladung zu einem
Coming-Out
. Michael bedachte sie mit einem bedauernden Blick. Sie wartete. Nun, da sie ihm so großmütig entgegen gekommen war, schien sie sich zu erhoffen, dankbar ob ihrer angedrohten Toleranz würde er ihr alles erzählen, sie ins Vertrauen schließen. Doch Michael ließ sie in ihrer Erwartungshaltung verdorren. Sie hatte ihn ein
Kind
genannt, ihm zudem unterstellt, ein Mädchen geschwängert zu haben!
    „Na gut, dann eben nicht“, schnaufte sie nach einer halben Ewigkeit beleidigt und taumelte aus dem Raum, nur um im Flur stehen zu bleiben. Sie verharrte dort, eine Hand am Türrahmen, als wäre sie eingefroren.
    Endlich machte sie einen Schritt rückwärts, wieder hinein in Michaels Zimmer und ohne ihn anzusehen, aber mit ihm zugewandtem Ohr, fragte sie leise:
    „Bist du … schwul?“
    Michaels Herz setzte aus. Auch wenn ihm seit einigen Minuten klar war, dass sie es ahnte, dass es nur noch darum gegangen war es auszusprechen, zog es ihm den Boden unter den Beinen weg. Er hätte es abstreiten können, doch stattdessen vergrub er die

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