Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kuss

Der Kuss

Titel: Der Kuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kooky Rooster
Vom Netzwerk:
leise, schlug dabei unwillkürlich mit dem Fuß aus und gegen ein Tischbein.
    „
Wann
hättest du mich darüber in Kenntnis gesetzt?“, wollte sie wissen und sie klang dabei wie eine Beamtin, die auf ein nicht korrekt ausgefülltes Formular hinwies.
    „Weiß nicht … irgendwann halt. Wenn ich mich dazu bereit gefühlt hätte“, faselte Michael.
    „Wenn
du
dich dazu
bereit
gefühlt hättest?“ Jetzt überschlug sich die Stimme seiner Mutter, und sie drückte den Joghurtbecher in ihrer Hand so fest, dass der Inhalt den Aludeckel aufriss und sich hindurch quetschte. Mit einem Fluch stellte sie den Becher ab und schüttelte ihre verklebte Hand.
    „Ich weiß es ja selbst noch nicht lange“, rechtfertigte sich Michael, und dabei wurde er auf seinem Stuhl immer kleiner. Bald war er wieder vier Jahre alt.
    „Michael!“, schnaufte seine Mutter, kam auf den Tisch zu und baute sich bedrohlich auf. „Ist dir eigentlich klar, was das bedeutet? Was da für eine
Verantwortung
auf dich zukommt?“
    Verantwortung …, über Aids und anderen Geschlechtskrankheiten wusste er Bescheid. Also niemals ohne Kondom! Ansonsten, … nicht irgendwelche Wildfremden in seine Wohnung lassen und solcher Kram. Es bedeutete außerdem, dass er niemals Kinder haben würde, und die Akzeptanz seiner Partnerschaften in der Gesellschaft nicht selbstverständlich war.
    „Ja“, gab er knapp von sich. Dass es nicht gerade ein Jackpot war, das war Michael längst klar, aber so ein Problem, wie seine Mutter daraus machte, hatte er wiederum auch nicht darin gesehen.
    „Ja?“, prustete seine Mutter, lachte hysterisch, drehte sich einmal um die eigene Achse, schüttelte den Kopf und schrie: „HERRGOTT, du bist erst SIEBZEHN! Was hast du dir dabei GEDACHT!“
    Michael wich zurück.
    „Ich habe mir dabei nichts
gedacht
“, entgegnete er ebenfalls lauter und wunderte sich darüber, welchen Zugang seine Mutter zu Homosexualität hatte. „Es
ist
einfach so. Ich habe mir das doch nicht bewusst ausgesucht. Auch wenn ich es nicht so …
schlimm
finde, wie du offensichtlich!“ Michael empfand das Recht, eingeschnappt zu sein, und machte daher ein trotziges Gesicht. „Außerdem hat das mit dem Alter rein gar nichts zu tun!“
    „Das
glaub
ich dir sofort, dass du dir absolut GAR NICHTS, dabei gedacht hast!“, tobte seine Mutter, lachte höhnisch auf und keifte: „Und außerdem spielt es SEHR WOHL eine Rolle, dass du erst siebzehn bist. Du bist noch ein halbes KIND!“ Autsch! Michael sprang auf, ballte seine Fäuste und wetterte:
    „ICH BIN KEIN KIND!“
    „DOCH, BIST DU!“, kreischte seine Mutter. Dann hielt sie plötzlich inne und Enttäuschung ließ ihr Gesicht zerrinnen, wie eine Uhr in einem Dali-Kunstwerk. „Was habe ich bloß
falsch
gemacht? Ich habe
versagt
! Meine
schlimmste
n
Albträume werden wahr!“ Kopfschüttelnd schob sie einen Stuhl zurecht und ließ sich mit hängenden Schultern darauf fallen.
    Michael verschlug es die Sprache. Dass seine Mutter es nicht besonders gut aufnehmen würde, dass er schwul war, damit hatte er gerechnet. Aber eher hatte er dramatische Jammerei erwartet, zusammenhanglose Selbstgeißelung, und damit, dass er sie beschwichtigen würde müssen und sie trösten. Das hier … kam unerwartet.
    „Das meinst du nicht ernst, oder?“, fragte er völlig ernüchtert.
    „
'Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm'
. Das sagt man doch immer. Du bist wirklich
genau so
wie dein Vater“, faselte sie vor sich hin, und es klang nicht gerade wie ein Kompliment. Michael glotzte seine Mutter völlig verdattert an.
Das
hatte ihm noch keiner erzählt.
    „Mein Vater war …?“
    „… auch gerade erst siebzehn, so wie ich auch!“, beendete seine Mutter den Satz, und eine Träne lief effektheischend über ihre Wange.
    „Das nehme ich doch an, dass ihr beide auch mal siebzehn wart.“ Michael begriff zunächst nicht. Doch dann fiel der Groschen, und das Missverständnis zerbröselte zu Staub, wie ein Vampir bei Tageslicht. Er prustete los. „Du glaubst,
ich
bin der Vater von Lus' Baby?“ Das ergab einen Sinn, immerhin musste seine Mutter denken,
diese
Lu wäre seine Exfreundin.
    „Das bist du doch!“ Sie blinzelte ihn an und man konnte sehen, wie sehr sie sich wünschte, sie habe sich nur geirrt. Diesen Gefallen konnte ihr Michael mit leichtem Herzen tun.
    „Nein, ich kenne das Mädchen gerade erst zwei Tage. Ich bin definitiv
nicht
der Vater.“ Michael musste blöd grinsen. „Du nimmst zurück, dass ich noch ein

Weitere Kostenlose Bücher