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Der Lambertimord

Der Lambertimord

Titel: Der Lambertimord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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reichen würden. Sie hatten hart gearbeitet und schließlich viel Glück gehabt. Als vor 25 Jahren aus den umliegenden Dörfern die Stadt Nettetal wurde, hatte die kommunale Neuordnung einen Bauboom ausgelöst, der sie schnell reich gemacht hatte. Damals war sie glücklich gewesen und hatte an eine gemeinsame Zukunft geglaubt.
    Was sie zu spät bemerkt hatte: über die Jahre hatten sie sich und ihre Träume beim Aufbau ihrer Karriere aus den Augen verloren. Damals zählte nur der Erfolg. Heute hatten sie zwar ihre Villa in Hinsbeck, wunderschön gelegen, wie ihr von Besuchern immer wieder bestätigt wurde, direkt am Naturschutzgebiet, mit weitem Blick auf die Felder und den nahen Wald. Trotzdem kam ihr der Niederrhein mittlerweile wie ein grünes Gefängnis vor. Wenn sie ehrlich war, hatte sie im Grunde die nassen Wiesen, den Nebel und die düstere Stimmung in den Wintermonaten schon damals gehaßt, als sie als Kind mit ihren Eltern von Frankfurt nach Lobberich gezogen war. Ihr Vater hatte dort eine Stelle als Prokurist einer großen Teppichbodenfirma angenommen. Sie hatte ihren Vater damals kaum gesehen und sehr vermißt. Ein gütiger Mann, immer mit einem Lachen auf den Lippen, zu dem sie sich gerne auf den Schoß setzte, und der so herrliche Geschichten von Drachen und Prinzen erzählen konnte. Aber er war damals viel auf Auslandsreisen gewesen, immer auf der Suche nach neuen Märkten für die Teppichböden, die das Werk in vielen Qualitäten herstellte.
    Christa Böskes schluckte. Sie hatte auf einmal das Gefühl, als schnüre ihr etwas die Luft ab, und sie fuhr mit einem Finger zwischen den Rollkragen des rosa Pullovers und ihren Hals. Trotz Heizung wurde ihr kalt, und sie zog ihre Arme enger um den Oberkörper. Sie ging einfach über die rüden Bemerkungen ihres Mannes hinweg. »Ich bereite dann nichts zum Abendessen vor. Ich werde nachher nach Krefeld fahren und ein bißchen einkaufen. Am späten Nachmittag gehe ich mit Ilse zum Tennis. Vielleicht trinken wir anschließend hier noch ein Glas Rotwein zusammen und erzählen ein bißchen.«
    »Ja, ja, mach das nur.« Dieter Böskes hatte wie immer nur mit halbem Ohr hingehört. Ihn interessierte nicht sonderlich, was seine Frau machte. Hauptsache, das Essen stand pünktlich auf dem Tisch, wenn er heimkam, und sie kümmerte sich um das Haus und den Garten. Er faltete die Zeitung zusammen und schob das Geschirr achtlos zur Seite. Mit einer Hand zog er seine Zigaretten aus der Jackentasche. Er wußte genau, daß sie das nicht ausstehen konnte, Rauchen nach dem Essen. Aber er hatte Lust, sie zu provozieren. Das ganze rosa Getue ging ihm mächtig auf die Nerven. Und immer diese gerade Haltung seiner Frau, lächerlich.
    »Wo ist der Aschenbecher?« Er wußte ganz genau, daß er auf der Fensterbank stand. Dort stand der schwere Ascher aus Bleikristall seit Jahren, immer an der gleichen Stelle, und immer sauber. Seine Frau haßte nichts mehr als Asche auf den dicken Teppichen, die im ganzen Haus dicht an dicht lagen. Überall war es sauber. Nein, steril. Und genau das konnte er nicht ausstehen. Nirgendwo konnte er mal etwas liegen lassen, noch nicht mal eine Zeitung, ohne daß Christa hinter ihm her räumte oder gleich mit dem Staubsauger kam.
    »Kannst du ihn mir holen? Bitte.« Er stellte mit Genugtuung fest, daß sie zuckte und ihr seine Frage körperlich weh zu tun schien.
    Christa Böskes stand auf und stellte den Aschenbecher mit einer ausladenden Bewegung eine Spur zu fest vor ihn hin. Die Tischdecke und die dicke Unterdecke fingen den Aufprall der spitzen Ecken des Aschers auf die Tischplatte schützend ab.
    Böskes zog nur eine Augenbraue unmerklich hoch und ging ansonsten über diese Mißfallensbekundung kommentarlos hinweg. Wie lächerlich, dachte er nur. »Auf dem Weg in die Firma fahre ich zuerst zum Lambertimarkt. Mal sehen, ob die gelieferten Ziegel endlich die richtige Farbe haben und eingebaut werden können. Außerdem müßten endlich die ersten Tuffsteine aus der Eifel da sein. Aber ist auch egal. Ist ohnehin zu kalt zum Einbauen.« Den letzten Satz hatte er schon mehr zu sich selbst gesagt.
    Ohne seine Frau anzusehen, rauchte Böskes schweigend zu Ende. Eine Reaktion auf seine Bemerkungen hatte er ohnehin nicht erwartet. Seine Frau saß neben ihm und sah wieder in den Garten. Er sah sie an, wie ein Biologe interessiert sein Insekt betrachtet, das er gleich auf eine Nadel spießen wird. Sie ertrug erstaunlich stumm das Rascheln der Zeitung und das

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