Der Lambertimord
langgezogene Inhalieren des Zigarettenrauchs. Keine Regung. Er konnte lediglich sehen, wie sich ihre Finger mehr und mehr um die Stoffserviette krallten, die sie auf ihren Schoß gezogen hatte. Ihre Fingerknöchel wurden weiß. Er würde ohnehin gleich gehen.
Sie schreckte leicht zusammen, als ihr Mann hörbar mit dem Stuhl nach hinten rutschte. »Ach, bevor ich es vergesse. Wenn dieser Joosten vom Förderkreis anruft, sag ihm, ich bin die nächsten Tage nur schlecht zu erreichen. Sag ihm was von Terminen in Düsseldorf und Köln. Der Typ geht mir langsam ziemlich auf die Eier. Das glaub’ mal.«
Christa Böskes zuckte wieder zusammen. Sie haßte seine primitiven und vulgären Ausdrücke. Warum ließ er sie nicht auf den Baustellen? Er mußte doch wissen, daß er ihr damit weh tat. Früher hatte sie sich noch beschwert. Sie hatte immer noch sein überhebliches Lachen im Ohr. »Auf dem Bau weht halt ein steifer Wind, Kleines. Wirst dich dran gewöhnen«, hatte er gesagt und ihr dabei burschikos auf die Schulter geklopft. Aber sie hatte sich nicht daran gewöhnen wollen.
»Also, ich bin dann weg.« Auf dem Weg zur Haustür küßte Böskes seine Frau im Vorbeigehen flüchtig auf die Wange. Sie sagte nichts und hob nur leicht ihren rechten Arm.
Kaum war er aus dem Haus, rieb sie sich in der Küche angewidert mit einem Papiertaschentuch seine Spuckereste aus dem Gesicht. So heftig, daß ihre Wange schmerzte. Dann ging sie zurück ins Eßzimmer und begann das Geschirr abzuräumen. Ihr Kopf tat weh und war doch leer. Sie zwang sich, nicht aus dem Fenster zu sehen. Ihre Arme wurden immer schwerer. Sie mußte sich schließlich an der Tischkante abstützen, um nicht umzufallen.
VII.
Josef Giskes kletterte umständlich aus dem Streifenwagen. Etwas linkisch und verlegen stand er schließlich in seinem abgetragenen grünen Anorak vor Frank und Ecki und sah zu ihnen auf. Zögernd gab er den beiden Ermittlern die Hand.
Frank versuchte, die Situation mit einem Scherz zu entspannen. »Das ist mein Kollege KHK Michael Eckers. Aber er hört eigentlich auf Ecki. Wenn du eine Schwäche für Schlager hast, bist du bei ihm richtig.« Frank zwinkerte Josef Giskes zu und drehte sich dann zu seinem Kollegen und Freund. »Ich bin mit Josef zur Volksschule gegangen, mußt du wissen. Wie lange ist das her, Josef? Das war doch, nee, laß man lieber, ist auf jeden Fall schon viel zu lange her.«
Ecki hatte Franks Seitenhieb geflissentlich überhört und sah statt dessen Josef Giskes neugierig an. Wie er so in seinem zu großen, abgewetzten Parka da steht, wirkt er völlig unauffällig, dachte Ecki, eher wie einer, der im Leben schon viel Pech gehabt hat.
Josef Giskes’ Versuch, ebenfalls zu lächeln, ging gründlich daneben. Sein unbeholfenes Lachen war nicht mehr als ein heiseres Meckern. Zu viele Zigaretten, dachte Ecki, als er auf die Zigarette sah, die sein Gegenüber mit der hohlen Hand gegen den Herbstwind schützte. Hinter den ungeputzten Brillengläsern des billigen Kassengestells wirkten Giskes Augen unnatürlich groß.
»Mensch Josef, was haben wir uns lange nicht gesehen!? Was treibst du so? Du hast dich überhaupt nicht verändert. Das mußt du mir nachher in Ruhe erzählen.« Frank wechselte den Ton und wurde dienstlich: »Du hast also die Tote gefunden?«
Josefs Giskes’ Augen wirkten mit einem Mal noch größer. Verunsichert zog er hastig an seiner Zigarette, die schon fast bis auf den Filter aufgeraucht war.
»Ich habe bis nach Mitternacht gearbeitet. Drüben in der Josefstraße, in der Spielhalle.« Josef Giskes machte eine Pause und deutete mit seinen gelben Nikotinfingern vage schräg hinter sich. Dabei fiel die letzte Glut von seinem Zigarettenstummel. Bevor er weitersprach, sah er abwechselnd von Frank zu Ecki. »Wie immer, eigentlich. Ich bin da seit fast zehn Jahren die Aufsicht, so Mädchen für alles, Geld wechseln, Kaffee kochen und so.« Giskes warf den Stummel zu Boden und trat ihn umständlich platt.
»Diese Nacht also auch?« Ecki hatte sein ledernes Notizbuch aus der Innentasche gezogen und damit begonnen, sich Stichpunkte zu machen.
Josef Giskes beobachtete ihn dabei argwöhnisch. Er bekam Angst. Fragend sah er Frank an und nickte dann zögernd.
»Nach dem Abrechnen habe ich gegen ein Uhr abgeschlossen und bin nach Hause gegangen. Sind ja nur ein paar Schritte. Ich wohne ja fast neben der Spielhalle. Ich meine, da, in der Seitengasse.« Er schwieg und sah wieder zwischen Frank und Ecki hin und her.
Weitere Kostenlose Bücher