Der Lambertimord
Gärtnerei im herkömmlichen Sinne hatte das Unternehmen schon lange nichts mehr zu tun. Der Obsthof bestand aus weit mehr als nur ein paar Gewächshäusern und einigen Obstwiesen, van den Hövel war in den vergangenen zwanzig Jahren zu einem der größten Anbieter von Beerenobst, Äpfeln, Birnen, Pflaumen und Erdbeeren geworden, nahezu bundesweit. Nur mit den großen Obstplantagen im Alten Land bei Hamburg konnte er nicht mithalten. An Adressen in ganz Europa lieferte die Firma ihr Obst aus. Aber nicht nur das Obst wurde vermarktet, van den Hövel hatte sich auch auf das Veredeln von Obstbäumen spezialisiert. Gehölze aus niederrheinischer Produktion standen in englischen Themenparks, an mehreren Stellen in Prag genauso wie mittlerweile auf zahlreichen Obstwiesen in den Neuen Bundesländern. Toni van den Hövel, der seinen Betrieb schon in der dritten Generation führte, hatte es schon früh verstanden, Obst und Obsthölzer regelrecht industriell anzubauen und zu vermarkten, van den Hövel hatte im Laufe der Jahre von den Bauern der Umgebung Feld um Feld gepachtet und dort seine Obstplantagen angelegt. Es gab kaum eine größere Fläche in Nettetal, auf der nicht van den Hövels Firmenschild, ein Apfel und eine Birne, stand.
Obwohl es schon fast Dezember war und die Arbeit in den Plantagen weitgehend ruhte, herrschte auf dem Firmengelände an diesem Morgen schon ein reger Betrieb. Ein Gabelstapler fuhr eine schwere eiserne Gitterbox mit Pflanztöpfen aus rotbraunem Ton über den Hof, um sie dann nahe der Ausfahrt an einem Zaun behutsam abzusetzen. Als Frank und Ecki auf den asphaltierten Hof fuhren, zog gerade ein Traktor an ihnen vorbei und ratterte vom Hof. So, wie der grüne Anhänger in der Ausfahrt über den holprigen Untergrund schaukelte, konnte er nicht sonderlich schwer beladen sein.
Die beiden Kriminalbeamten parkten ihren silberfarbenen Dienstwagen mit Mönchengladbacher Kennzeichen neben einem nüchternen Zweckbau aus rotem Backstein, an dessen Tür ein Schild den Weg ins Büro wies. Weiter hinten, unter dem Dach einer offenen Halle für Zugmaschinen, Pflanz- und Erntemaschinen, standen mehrere Arbeiter zusammen. Sie rauchten und unterhielten sich. Ecki und Frank waren zu weit weg, um etwas hören zu können. Offenbar waren die Männer über irgend etwas in Streit geraten, denn sie gestikulierten heftig. Hinter dem Unterstand für den Fahrzeugpark waren die großen grünen Tore einer Lagerhalle weit aufgeschoben. Dort brannten die Deckenlampen.
Gerade, als Frank die einfache Tür aus geriffeltem Sicherheitsglas zum Büro aufdrücken wollte, wurde sie von innen geöffnet. Ihnen kam ein groß gewachsener älterer Mann in grünen Gummistiefeln, dicker schwarzer Hose und grauem Pullover entgegen. Darüber trug er eine blaue Arbeitsjacke, die eine Nummer zu klein geraten und an den Ärmeln schon ganz verschlissen war. Leicht gebeugt wollte er sich mit einem flüchtigen Gruß an seine ausgeleierte Wollmütze an den beiden Ermittlern vorbeidrücken, die aber einfach stehenblieben.
»Guten Morgen. Wir suchen Herrn van den Hövel. Ist der Chef schon da?« Frank fror. Er zog seine Lederjacke enger um den Oberkörper. Der Temperaturunterschied zwischen dem warmen Auto und dem kalten Freitagmorgen war schon ziemlich deutlich.
Der Arbeiter blieb stehen und sah erst ihn und dann Ecki unschlüssig an. Mißtrauisch schüttelte er den Kopf. Dabei ruderte er ungelenk mit den Armen. »Ich nix verstähn. Chef.« Mit seiner großen knochigen Hand zeigte er in den Flur hinter sich. »Ich nix können Deutsch. Ich Pole. Chef da.«
»Trotzdem, vielen Dank.« Mit einem Kopfnicken schoben sich die beiden an dem Mann vorbei. Am Ende des schmalen Durchgangs stand eine Tür offen, die in einen hell erleuchteten Raum führte. Im Flur roch es nach starkem Kaffee und nach Zigarren.
Beim Betreten des Büros klopfte Frank an den Türrahmen. Aus Routine überflog er mit schnellen Blicken den Raum, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen. Links von der Bürotür bedeckte ein deckenhohes Holzregal voller Aktenordner, die unterschiedlich beschriftet waren, die Wand. Der Tür gegenüber stand ein älteres Sideboard aus hellem Holz, auf dem mehrere dicke Kataloge für landwirtschaftliche Zugmaschinen, Fräsen für die Bodenbearbeitung oder Motorsägen lagen sowie Kladden undefinierbaren Inhalts, die zum Teil aufgeschlagen waren. Dazwischen stand ein dunkler Holzständer mit einem Wimpel. Frank konnte ein Wappen erkennen, auf dem
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