Der Lambertimord
ich wirklich dabei sein? Du weißt, daß ich Obduktionen nicht ertrage.«
Frank mußte lachen. »Keine Panik, Ecki, du bist genau der Richtige. Und vielleicht hat der Doc sogar noch ein paar Tips für dich. Du weißt schon: die Leiche und ich – das immerwährende Mysterium.«
Ecki sagte nichts, aber er konnte sich nur mühsam beherrschen. Er hatte das ewige Gequatsche über sein Verhältnis zu Leichen einfach satt. Und von Frank konnte er das erst recht nicht ab. Als er mißmutig das Notizbuch wegstecken wollte, fiel ihm etwas ein. »Giskes hat doch eben gesagt, daß du die Tote kennen müßtest. Stimmt das?«
Frank schüttelte den Kopf. »Nein, ich kenne zwar den Namen von dem Obsthof, aber mehr auch nicht. Außerdem ist, nein, war Heike van den Hövel zu jung. Nicht mein Jahrgang. Und ich war früher eher selten in Kaldenkirchen.«
Frank sah nachdenklich auf die Gruppe Schaulustiger hinter dem Flatterband: Eine bunte und lächerliche Ansammlung aus ungekämmten Haaren, nachlässig geknoteten Bademänteln und über Schlafanzüge halbherzig zugezogene Jacken.
Frank sah Ecki vielsagend an. Auf dem Weg zu den Schaulustigen, die in ihrer unpassenden Bekleidung sichtlich froren, räusperte er sich, um nicht lachen zu müssen. »Hat jemand von ihnen in den letzten Stunden irgendwas bemerkt? Oder haben sie alle einen festen Schlaf? Kennt jemand die Frau? Na, was ist?«
Wie auf Kommando verstummten die Gespräche und jeder sah entweder unbeteiligt zu Boden, scharrte mit den Pantoffeln über das Pflaster oder zuckte teilnahmslos mit den Schultern. Von der Pfarrkirche St. Lambertus gleich nebenan schlugen die Glocken sieben Uhr.
Frank wartete, bis der letzte Glockenton verklungen war. »Ich merke schon, in Breyell leben immer noch rechtschaffene und müde Bürger. Wie sich das gehört.« Frank konnte sich den Spott in seiner Stimme nicht verkneifen.
»Meine Kollegen von der Schutzpolizei werden jetzt ihre Personalien aufnehmen, wenn das nicht schon geschehen ist.« Er sah sich suchend um, konnte aber keinen Polizeibeamten in Uniform entdecken. »Wenn ihnen also doch noch etwas einfallen sollte, nur Mut. Die Kollegen werden ihnen geduldig zuhören. Vorerst also gute Nacht.« Er sah auf seine Armbanduhr. »Nein, Guten Tag, kann man ja mittlerweile schon sagen.«
Frank und Ecki setzten sich in den Mondeo. Nur mit einem schnellen Griff konnte Frank seinen Freund davon abhalten, seine CD einzulegen. »Bitte, verschone mich damit. Der Tag wird noch lang genug. Bitte jetzt keine Volksmusik. Überhaupt keine Musik.«
Er deutete auf die Gruppe der Neugierigen vor ihrem Auto, die sich langsam auflöste. In Breyell war ein Mord passiert, und sie waren fast dabeigewesen. In den kommenden Tagen würde ihnen der Gesprächsstoff sicher nicht ausgehen. »Das ist hier schon genug Komödienstadl, findest du nicht? Wo nur der Staatsanwalt steckt?«
Ergeben warf Ecki die CD wieder auf das Armaturenbrett und griff zur Tüte mit der angebissenen Nußschleife. Er hatte Hunger. Bevor er ein Stück abbiß, besah er sich das leicht angetrocknete Teilchen genüßlich von allen Seiten.
»Komisches Volk, die Breyeller. Hast du die Typen an der Absperrung gesehen? Die können mir nix erzählen, die haben bestimmt was gesehen.« Ecki schmatzte leicht beim Kauen. »Da gehe ich jede Wette ein. Und sagen nichts. Aber die werden wir schon in die Spur bringen.«
»Du kennst doch die drei heiligen indischen Affen: Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen. Ebenso gut könntest du auch drei Breyeller nebeneinander auf die Stange setzen: bloß nichts sehen, nichts hören und nichts sagen. Zumindest nicht, wenn Fremde dabei sind. Das ist schon eine ziemlich verschworene Gemeinschaft, hier im Dorf.«
Frank suchte nach den richtigen Worten. »Ich will jetzt keine Geschichtsstunde abhalten. Aber das hier,« er deutete vage auf die Szene vor ihnen, »das ist, ja, das ist historisch bedingt. Das kommt aus der Zeit, als die Breyeller Kaufleute noch als Krämer über Land gezogen sind. Eine ganz merkwürdige Zunft, mit einer eigenen Geheimsprache. Wenn die Breyeller nicht wollen, kriegst du nix aus ihnen heraus. Das ist so. Glaub mir, ich weiß das. Schließlich bin ich hier geboren.«
»Das sind ja prima Aussichten.« Ecki hatte das Teilchen aufgegessen und holte mit einem angefeuchteten Finger die restlichen Krümel aus der Tüte. Dann zerknüllte er mit entschlossenen Bewegungen die Papiertüte. Fürs erste war er satt. Er sah suchend durch die
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