Der Lambertimord
wieder nach Hause gehen.« van den Hövel schien wie in Trance, abwesend, weit weg. »Heute geht keine Arbeit mehr, heute nicht mehr.«
Ecki hatte die ganze Zeit am Sideboard gestanden. Er machte nicht den Eindruck, als habe ihn die bedrückende Szene sonderlich gerührt. Aber das täuschte. Aufmerksam hatte er van den Hövels Schwächeanfall beobachtet. Nun nahm er den Wimpel des Brauchtumsclubs in die Hand und las den Namen des Vereins vor. »Freunde und Förderer des Nettetaler Brauchtums e.V. Hm, klingt sehr ehrenwert. Sicher ein Verein, der viel Gutes tut.« Umständlich stellte er den Wimpel wieder auf das Sideboard zurück. van den Hövel zuckte mit den Schultern. Er sah Ecki zwar gespannt an, sagte aber nichts.
Ecki ließ sich nicht beirren. »Herr van den Hövel, ich muß Ihnen diese Frage stellen. Auch wenn es noch sehr früh ist, aber das gehört zur Routine. Leider, ich kann ihnen das nicht ersparen. Wo waren Sie gestern Abend? Und wann haben Sie Ihre Tochter Heike das letzte Mal gesehen?«
»Ich verstehe die Frage nicht. Was soll das heißen, bin ich verdächtig? Ich, der Vater von Heike?« van den Hövel zog den Kopf zwischen die Schultern und wirkte damit wieder bullig und kampfbereit.
»Das hat niemand behauptet. Ich habe nur eine einfache Frage gestellt und erwarte eine einfache Antwort. Ich tue nur meine Pflicht als Polizeibeamter.« Ecki bohrte direkt nach. »Wie kommen Sie denn darauf, daß Sie verdächtigt werden könnten; müssen Sie denn ein schlechtes Gewissen haben?« van den Hövel schnappte hörbar nach Luft. »Ich war in Breyell in einem Spielsalon, wie immer donnerstags. Ist das verboten? Zeugen gibt es auch. Fragen Sie die Aufsicht da. Giskes heißt der Mann.«
Frank versuchte zu vermitteln. »Herr van den Hövel, mein Kollege meint es nicht so hart, wie es klingt. Wir wollen uns nur ein klares Bild machen können.«
van den Hövel hatte nicht hingehört. Er zeigte mit dem Finger auf Frank. »Sie behaupten, meine Tochter lebt nicht mehr. Ich habe diese Frau, die angeblich meine Tochter Heike sein soll, noch nicht gesehen, und schon stellt Ihr Kollege solch dumme Fragen. Wo haben Sie Ihre Arbeit gelernt? Noch ist doch nicht klar, daß meine Tochter«, er zögerte und fügte leise hinzu, »tot ist. Ich finde Ihr Verhalten mehr als merkwürdig, das können Sie mir glauben. Haben Sie denn nicht einen Funken von Anstand in sich? Gehen Sie bei der Polizei mit allen Menschen so rücksichtslos und menschenverachtend um?«
Frank nickte. »Sie haben ja recht, Herr van den Hövel. Alles schön der Reihe nach. Haben Sie irgendeine Vorstellung oder Vermutung, wer Ihre Tochter umgebracht haben könnte? Hatte Ihre Tochter in letzter Zeit Probleme? Hat Sie Ihnen etwas erzählt? Andeutungen gemacht?«
van den Hövel atmete schwer und schwieg. Er fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. Er sah sich in seinem Büro um, als habe er den Raum zuvor noch nie gesehen, dann blieb sein trauriger Blick hilflos am Foto seiner Tochter hängen.
Frank stand auf. »Lassen Sie uns lieber fahren. Ach, eine Frage noch, hat Ihre Tochter noch bei Ihnen gewohnt, oder hatte sie eine eigene Wohnung?« van den Hövel nickte. »Sie wohnt nicht bei mir.«
»Sie haben dann doch sicher einen Schlüssel zu der Wohnung? Sie wohnt doch in Kaldenkirchen?«
»Nein, sie wohnt in Hinsbeck. Sie ist dort vor ein paar Jahren in eine Wohnung gezogen, die dem Bäcker Leven von der Jahnstraße hier in Kaldenkirchen gehört. Das Haus war damals gerade erst neu gebaut worden. Heike wollte einen Ort, den sie für sich alleine hat. Ich konnte sie nicht überreden, bei uns wohnen zu bleiben. Dabei haben wir Platz genug hier. Mehr als genug. Was soll jetzt bloß werden?« Er wimmerte wieder.
Frank wiederholte seine Frage. »Haben Sie einen Schlüssel zu der Wohnung?«
van den Hövel nickte schwach. »Natürlich.«
»Dann nehmen Sie ihn bitte mit. Wir warten im Wagen.«
Draußen standen die Männer immer noch unter dem Hallendach zusammen. Sie rauchten jetzt schweigend. Der Pole von vorhin war nirgends zu sehen.
»Was meinst du?«, fragte Frank, als sie wieder in der Kälte standen.
Ecki antwortete nicht, sondern schlenderte statt dessen wortlos in Richtung Halle, ganz so, als sei er auf der Suche nach einem passenden Obstbaum für seinen Garten. Ecki hat manchmal das Gemüt eines Faultiers, dachte Frank, als er ihm folgte. »Los, nun sag schon!«
»Ich weiß nicht. Ich frage mich nur, warum hat er sich so aufgeregt, als ich
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