Der Lambertimord
Topfpflanzen, die eher wie Gestrüpp aussahen. Der arg lichte Ficus schien schon länger kein Wasser bekommen zu haben. Und der mickrige Gummibaum schien das gleiche Schicksal erleiden zu müssen.
In die groß gemusterten Tapeten war der Rauch von unzähligen Zigaretten eingedrungen. Sie sahen gelb und alt aus. Gegenüber der Schrankwand, deren Oberfläche über die Jahre stumpf geworden war, hing ein billiger Druck an der Wand. Es war eine Szene wie aus einem Reisekatalog von Neckermann: ein weißer Strand unter strahlend blauem Himmel. In das Bild ragte eine mächtige Palme. Die Szene wirkte in der schäbigen Umgebung dieser Kaldenkirchener Sozialwohnung seltsam absurd. Rolf Graf schien das nicht weiter zu stören. Interessiert musterte er das Bild, wobei er geistesabwesend nach seinem Notizblock kramte.
Auf dem Couchtisch lagen mehrere zerlesene Zeitschriften, Krümel und Asche bedeckten die Kacheln, auf denen mehrere Flaschen ihre Ränder hinterlassen hatten. Die beiden Kommissare setzten sich ohne Aufforderung nebeneinander auf die abgewetzte Couch.
»Frau Jansen, wir wollen nicht lange drum herum reden. Wir sind hier, weil wir Hinweise darauf haben, daß Ihr Sohn enge Verbindungen zu der Skinhead- und Neonazi-Szene in Kaldenkirchen hat. Können Sie uns sagen, wo wir Ihren Sohn Markus finden können?« Peter Beuke sah sie freundlich an.
Elisabeth Jansen beugte sich aus dem Sessel und zog den fast vollen Aschenbecher zu sich, der auf dem Tisch stand. Mit schnellen Handbewegungen holte sie eine Marlboro-Schachtel aus dem Morgenmantel und zündete sich eine Zigarette an. »Ich habe Ihnen das doch schon gesagt: ich weiß nicht, wo mein Sohn ist. Markus ist vor mehr als einer Woche verschwunden. Keine Ahnung. Ist mir auch egal.« Sie nahm einen tiefen Zug. »Außerdem ist er kein Nazi.«
Während Graf schweigend seine Zigarette und sein Feuerzeug aus der Manteltasche holte, hakte Beuke nach. »Frau Jansen, das nehme ich Ihnen nicht ab. Das kann Ihnen doch nicht egal sein, wo sich Ihr Junge aufhält. Sie sind doch schließlich seine Mutter.«
Elisabeth Jansen sah ihn aus ihrem Sessel abschätzend an. Sie schien ihre Angst über den überraschenden Besuch der beiden Polizeibeamten überwunden zu haben. »Was denken Sie? Er ist schon über 18. Der läßt sich schon lange nichts mehr sagen. Markus geht längst seine eigenen Wege. Das hat er schon als Kind getan.« Sie sah Graf an und nickte, als er auf den Aschenbecher deutet. »Markus ist auch nicht anders als sein Vater. Der kommt und geht auch, wann er will.«
Peter Beuke versuchte es noch einmal: »Wo ist denn Ihr Mann?«
Elisabeth Jansen zuckte mit den Schultern und sah angestrengt aus dem Fenster. »Den habe ich auch schon ein paar Tage nicht gesehen. Wahrscheinlich ist er wieder mit irgend so einer Nutte unterwegs. Was weiß ich? Interessiert mich nicht.«
»Sie haben es auch nicht leicht.«
Sie zog ihren Morgenmantel enger um ihren Oberkörper. »Was wollen Sie von mir? Das geht Sie gar nichts an. Wollen Sie mich verarschen? Dann können Sie gleich wieder gehen. Sie wissen ja, wo die Tür ist!« Mit einer heftigen Bewegung drückte sie ihre Zigarette aus. Dabei flogen Reste der Asche über den Rand des vollen Aschenbechers.
»Nein, ich hab Sie nicht kränken wollen. Es tut mir leid, Frau Jansen. Ich meine, ich kann Sie gut verstehen.« Peter Beuke hoffte, daß sich sein Kollege endlich in das Gespräch einschalten und ihm helfen würde. Statt dessen schien Graf mehr an der goldverzierten venezianischen Gondel aus Plastik interessiert zu sein, die in einem offenen Schrankfach stand, als an der Aussage der Frau. Zumindest musterte er das kitschige Boot, seit sie auf der Couch saßen.. »Nichts können Sie. Sie haben keine Ahnung.« Elisabeth Jansen zog den Morgenmantel noch fester.
Beuke wartete ab. Eine kleine Ewigkeit, so schien es Graf, der nur noch einen kleinen Rest seiner Selbstgedrehten zwischen Daumen und Zeigefinger hielt.
Schließlich unterdrückte Elisabeth Jansen ein leises Husten. Sie zündete sich eine neue Zigarette an und warf das Feuerzeug achtlos neben den Aschenbecher. Sie schwieg.
Beuke ließ sie schweigen und wartete. Es schien endlos lange zu dauern.
Sie hatte die Zigarette fast aufgeraucht, als sie endlich weitersprach. »Was denken Sie eigentlich, wie das ist, wenn man das Gefühl nicht los wird, daß das Leben einem ständig eins in die Fresse haut?«
Beuke und Graf sahen sie schweigend an. Sie deutete es als Aufforderung,
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