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Der Lambertimord

Der Lambertimord

Titel: Der Lambertimord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnold Kuesters
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Sie zog ihren Morgenmantel mit beiden Händen glatt, als könnte der dünne, abgewetzte Stoff sie vor den direkten Fragen des Kommissars schützen. »Das geht Sie überhaupt nichts an.«
    Beuke sah ihr direkt in die Augen. »Das müssen Sie sich nicht gefallen lassen.« Beuke hoffte inständig, daß sie reden würde. War die Frau so stark, oder tat sie nur so? Wie tief hatte sie sich in sich zurückgezogen, daß sie die Gewalt, die ihr Leben zu beherrschen schien, nicht mehr treffen konnte? Beuke war früher bei der Sitte oft solchen Frauen begegnet. Meist waren ihre Wunden so zahlreich, daß sie sich nicht mehr darum scherten, wie viele es waren und ob welche dazu kamen. Beuke hatte dabei oft an waidwunde Tiere denken müssen, die nur noch auf den letzten, tödlichen Stoß warteten.
    Die Frau im Sessel blieb stumm.
    Rolf Graf wechselte das Thema. Er hatte sich zwischenzeitlich eine weitere Zigarette gedreht. »Können wir uns einmal im Zimmer Ihres Sohnes umsehen? Sie würden uns sehr helfen, wenn wir einen Blick auf seine Sachen werfen könnten. Es wird nicht lange dauern.«
    Graf mußte seine Zigarette wieder in die Manteltasche stecken, denn Elisabeth Jansen war wortlos aufgestanden und in den kleinen, halbdunklen Flur vorausgegangen. Der abgestandene Essensgeruch war hier besonders stark. Am Ende des schmalen Flurs blieb sie vor einer geschlossenen Tür stehen.
    Das Holz um das Schloß war geflickt. Auch der Türrahmen war notdürftig repariert. Irgend jemand mußte die Tür einmal gewaltsam aufgedrückt haben. Kurz über dem billigen Teppichboden entdeckte Beuke eine gebrochene Stelle im Türblatt. Den oberen Teil der Tür bedeckten halb abgerissene Aufkleber. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, die unterschiedlich großen Sticker restlos zu entfernen. Nur einer der Aufkleber war heil geblieben: der runde Sticker der DVU. Deutschland den Deutschen, stand dort. Geschrieben in den Farben Schwarz, Rot, Gold.
    Die Mutter von Markus Jansen blieb vor der Schwelle stehen. Sie schob die Tür mit einer kurzen Handbewegung auf und trat dann zur Seite. Ohne weiter auf die Männer zu achten, verschwand sie nebenan in der Küche.
    Vor den Beamten tat sich ein Raum auf, der mehr einer braunen Kultstätte glich als einem Kinder- oder Jugendzimmer. Eine Schreckenskammer für jeden Überlebenden des Holocaust, dachte Peter Beuke. Die Rolladen am Fenster waren halb heruntergelassen. Graf suchte den Lichtschalter. Eine schwache Birne tauchte die Szene in ein unwirkliches Licht.
    Die Decke war mit Tarnnetzen verhängt, von denen ein unangenehmer Gummigeruch ausging. Rechts von der Tür stand ein Bett, das wohl schon lange nicht mehr gemacht worden war. Das tarnfarbene Oberbett lag zusammengedrückt am Kopfende. Auf dem Nachttisch lagen zwei zerlesene Penthouse-Ausgaben neben einem silbernen Totenschädel, in dem eine halb heruntergebrannte Kerze steckte. Über dem Bett war eine Reichskriegsflagge an der Wand befestigt. Beuke trat einen Schritt näher. Neben der Flagge hingen ein Stahlhelm und ein Ehrendolch der SA. Außerdem klebte ein Foto mit einem feuerspeienden Wehrmachtspanzer auf der Wand. Hinter der Tür lehnte ein Baseballschläger.
    »Mein Sohn ist kein Nazi«, äffte Graf die Mutter von Markus Jansen nach.
    Unter dem Fenster stand ein alter, billiger Schreibtisch. An den Kanten gab an einigen Stellen das abgebrochene Kiefernholzimitat den Blick auf den Korpus aus Preßspan frei. Auf der Tischoberfläche standen die gerahmten Schwarzweißportraits von Rudolf Hess, Adolf Hitler und Hermann Göring. Vor jedem Bild stand eine rote Kerze. Neben einer Ausgabe von Mein Kampf lag ein Brieföffner mit einem Hakenkreuzsymbol am Griffende.
    Links von der Tür stand ein Kleiderschrank. Graf öffnete ihn. Unordentlich lagen Unterwäsche und T-Shirts durcheinander. Ein paar Jeans hingen an Haken. Hemden schien Markus Jansen nicht zu besitzen. Bis auf ein hellbraunes, das als einziges Kleidungsstück ordentlich auf einem Bügel hing. Über den Haken des Bügels war eine schwarze Krawatte gestreift. In einer tarnfarbenen Nylontasche entdeckte Graf ein paar teure Turnschuhe und die Hose eines Bundeswehrkampfanzuges. Mit spitzen Fingern stocherte der Oberkommissar anschließend in der Unterwäsche. Aber auch dort war nichts zu finden.
    Neben dem Schrank stand eine Anrichte mit mehreren verstaubten Flugzeug-, Panzer- und Kriegsschiffmodellen, dazwischen eine billige Stereoanlage. Über dem durcheinandergewürfelten Arsenal der

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