Der Lambertimord
ein leises Klopfen zustande. Als er keine Antwort bekam, schlich er wie ein geprügelter Hund die Treppe hinunter und schloß leise die Tür hinter sich.
Er stieg in seinen MGB und sah traurig und ratlos die nur schwach beleuchtete Straße entlang. Er konnte jetzt nicht einfach so tun, als sei nichts geschehen, nach Hause fahren und sich ins Bett legen. Warum kam Lisa so spät noch aus dem Bad? Das kannte er gar nicht von ihr. Wo war sie den ganzen Tag über gewesen, daß sie so müde war? Frank wußte keine Antwort, sein Kopf war leer. Verzweifelt stieß er mit beiden Händen gegen das Lenkrad.
Er bemerkte, wie auf dem Bürgersteig eine alte Frau in dünnem Mantel an seinem Auto vorbei ging. Ihr Atem bildete in der Kälte kleine Wölkchen. Sie tat ihm leid, denn sie mußte immer wieder stehen bleiben, weil ihr Dackel ständig anhielt, um ausgiebig und umständlich zu schnuppern. Frank drehte den CD-Player so laut auf, daß die eingebauten Boxen zu scheppern begannen: Topper Price & The Upsetters mit Worried Bout You Baby. Der richtige Text zum Mitsingen. Für 3 Minuten und 29 Minuten sang sich Frank seine ganze Enttäuschung über den mißlungenen Besuch bei Lisa von der Seele. Die alte Frau drehte sich an der Straßenecke nach ihrem Hund um. Dann beobachtete sie argwöhnisch Franks Vorstellung. Ein Mann zu dieser späten Stunde, der in seinem Auto saß und zu lauter Musik noch lauter und vor allem schief sang. Kopfschüttelnd nahm sie ihren Dackel wieder an die Leine und verschwand mit ihm in der Seitenstraße.
Zu spät merkte Frank, daß ihn das jammernde Mundharmonikaspiel von Topper Price nur noch trauriger machte. Sein Herz tat weh. Er sah zu Lisas Wohnung hoch. Vermutlich hatte sie recht und es war wirklich schon zu spät zum Reden. Gewiß hatte sie recht. Aber, wann war die richtige Zeit? Er hatte das Gefühl, in letzter Zeit immer zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein. Frank versuchte die wehleidigen Gedanken zu verscheuchen. Wenn Ecki ihn so sehen würde, dachte er mit einem Anflug von Selbstironie. Ich sitze hier wie ein liebeskranker Dackel im Auto.
Die Kälte war längst durch das dünne Stoffdach seines Cabrios gekrochen. Als er losfuhr, trommelte er den Blues-Rhythmus mit klammen Fingern auf dem Lenkrad mit.
»Wir sind sehr verschieden, ich weiß nicht, ob das hilft oder schadet. Aber ich glaube, jede Ehe ist schwierig, vor allem, wenn beide sich weiterentwickeln. Gleichzeitige Orgasmen sind schön, aber gleichzeitige Evolution ist besser.« – Jamie Lee Curtis.
Frank zupfte das handgeschriebene Zitat von der Kühlschranktür und betrachtete die Zeilen unschlüssig. Der Spruch war typisch für Lisa. Sie hatte den gelben, selbstklebenden Zettel bei ihrem letzten Besuch kommentarlos auf die blaue Tür gepappt. Offenbar hatte sie ihn nur offen aushängen wollen, ohne Diskussionsbedarf. Also hatte er den Spruch auch nur zur Kenntnis genommen. Lisa hatte stets ein kluges Zitat oder einen Spruch parat. Eine regelrechte Marotte von ihr. Sie sammelte mit großer Leidenschaft Lebensweisheiten aller Art, um sie dann an allen möglichen Orten aufzukleben. Sie blieben eine Zeitlang hängen, um dann in einem Zettelkasten zu verschwinden, der längst überquoll. Frank hatte den Eindruck, daß die selbstklebenden Notizzettel nur deshalb erfunden worden waren, um von Lisa in ihrer oder seiner Wohnung verteilt zu werden. Aber sie hingen nicht nur dort. Von Lisas Lehrerkollegen hatte er auf einer gemeinsamen Fete erfahren, daß selbst im Lehrerzimmer diese handgeschriebenen Zettel zu finden waren.
Die Zettel hatten ihn nie gestört. Im Gegenteil. Trotzdem hatte er über den Tick oft gelästert und Lisa damit aufgezogen. Sie hatte dann einfach nur gelacht und mit einem Kissen oder einer Zeitschrift nach ihm geworfen. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als daß sie vorbei käme und wieder einen Platz für einen ihrer Zettel suchen würde. Egal, was drauf stand. Hauptsache, sie würde kommen. Er klebte den Zettel mit dem Zitat der amerikanischen Schauspielerin wieder an seine ursprüngliche Stelle. Mit einem kurzen Ruck öffnete Frank die Tür des Kühlschrankes und nahm ein Flasche Bottens Ur-Alt aus einem Fach in der Innenseite der Tür. Mit einem satten Plopp ließ er den Bügelverschluß der Bierflasche hochschnellen. Noch bei geöffneter Kühlschranktür nahm er einen tiefen Schluck und hätte sich an dem aufsteigendem Schaum fast verschluckt. Hustend schlug er die Tür zu und ging ins Wohnzimmer. Er
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