Der Lambertimord
erlebte er mit ihr unbedarfte Spontaneität, bedingungslose Hingabe und schweißtreibenden Sex, wie er ihn nie zuvor erlebt hatte, und romantische Liebesschwüre. Er hatte an diese Liebe glauben wollen, obwohl er im Inneren genau wußte, daß die Beziehung keine Zukunft haben konnte. Eine gemeinsame Zukunft mit Heiraten ganz in Weiß, das war einfach undenkbar. Er, Dieter Böskes, der Schwiegersohn von van den Hövel, van den Hövel, der genaugenommen kaum acht Jahre älter war als Böskes, van den Hövel, der auch im Verein der Freunde und Förderer des Brauchtums war. van den Hövel, das arrogante Arschloch, das mit seinem Gestrüpp Millionen verdient hatte. Nein, undenkbar. Außerdem hatte Heike in der letzten Zeit nur noch Zicken gemacht, hatte keine Lust, ihn zu sehen. Dann waren es angeblich irgendwelche Eilaufträge, die sie in der Firma ihres Vaters abarbeiten mußte. Ihm war das ewige Vertrösten auf »nächste Woche« schließlich nur noch auf die Nerven gegangen. Er hatte am Ende nur noch Wut für sie übrig gehabt. Wut auf ihre Unbekümmertheit, Wut auf ihre Jugend, Wut über ihr Lachen am Telefon, Wut, nur noch Wut. Und Wut über sich selbst, daß er sich so erniedrigt hatte und ihr hinterhergekrochen war. Er kam sich in ihrer Gegenwart nur noch vor wie ein sabbernder alter Mann.
Und nun war auch noch dieser Kerl am Telefon, den er nur aus den Erzählungen und von einigen Fotos kannte, die Heike ihm einmal gezeigt hatte. Ein bißchen hatte sie mit den Fotos angeben wollen. Sie war offenbar stolz darauf, diese kahlrasierten Typen in den fleckigen Tarnhosen zu kennen. Ziemlich besoffen hatten ihn die vier jungen Männer von den Fotos angegrinst, jeder von ihnen im grünen Unterhemd und mit einer Büchse Bier in der Hand. Und immer hatte wenigstens einer von ihnen noch die Hand gehoben, ein Hitlergruß für den Fotografen. Die Fotos waren offenbar auf einer Waldlichtung aufgenommen worden. Wo, das hatte Heike nicht sagen wollen. Das ist geheim, hatte sie vielsagend gesagt und die Bilder dann doch achtlos auf den Nachttisch geworfen, bevor sie sich nackt auf seinen Bauch gesetzt und gelacht hatte.
»Was wollen Sie von mir?«, fragte Böskes zum wiederholten Mal in den Hörer.
»Das wirst du schon noch früh genug erfahren, du Schwein. Ich weiß, was du mit Heike gemacht hast«, hörte er den Unbekannten sagen.
»Hören Sie, ich habe mit dem Tod von Heike nichts zu tun. Wir haben uns geliebt, wir wollten heiraten.« Böskes hörte nur ein Lachen.
»Das glaubst du doch selbst nicht. Geiler alter Bock hat sie dich genannt, und daß du zahlen mußt, hat sie gesagt. Für jede verdammte Minute, die du auf ihr gelegen hast. Sie wollte dich ausnehmen wie eine Weihnachtsgans. Hat sie gesagt. Wie eine fette Weihnachtsgans. Du Schwein, was hast du nur mit ihr gemacht?«
Böskes wurde es heiß. Sein Hemdkragen schien ihn zu erwürgen. Er umklammerte den Telefonhörer mit feuchten Fingern. Gut, daß seine Sekretärin nicht mehr im Büro war. »Hören Sie, Mann. Ich habe mit der Sache nichts zu tun.«
»Ich habe Fotos von euch beiden. Heike hat sie machen lassen, wollte sie hübsch im Internet veröffentlichen. Das wäre ein Spaß geworden. Der nackte, fette, weiße Arsch vom angesehenen Bauunternehmer Böskes im World Wide Web. Das hat doch was. Auf diese Backen können Sie bauen.«
Der Unbekannte am anderen Ende der Leitung hörte nicht mehr auf zu lachen.
»Es gibt keine Fotos«, versuchte Böskes souverän zu wirken. Aber es klang wenig selbstbewußt.
»Und was ist mit dem Picknick im Mai im Wald bei Leuth? Na, schon vergessen? Die karierte Decke und der Rotwein?«
Dieter Böskes war plötzlich schweißnaß am ganzen Körper. Seine Krawatte brachte ihn um. Warum mußte es nur so heiß sein im Büro? Er sah sich hilfesuchend um. Er mußte ein Fenster aufmachen. Er konnte jetzt nur noch flüstern. »Sagen Sie, was Sie wollen. Wieviel, Mann. Wieviel?«
»Das gibt’s doch nicht. Da hat der clevere Böskes endlich doch noch kapiert, wie das läuft. Mensch, Alter, du bist ja richtig helle im Kopf. Gut, gut, aber immer schön der Reihe nach. Du willst die Fotos?«
»Die Fotos und die Negative!« Böskes hatte sich wieder gefangen und versuchte, wieder Herr der Situation zu werden. Aufrecht saß er nun an seinem Schreibtisch. Er hatte seine Fassung zurück, zumindest für den Augenblick. Er zitterte am ganzen Körper, aber das konnte der andere ja nicht sehen.
»Witzbold. Negative. Wer fotografiert heute noch
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