Der Lambertimord
ohne Digitalkamera? Den Chip kannst du haben. Oder möchtest du eine gebrannte CD? Sind echt schöne Fotos drauf. War ein netter, sonniger Nachmittag, hab mir echt viel Mühe gegeben. War gar nicht so einfach, nah genug ran zu kommen, an euch beide. Dein Arsch könnte wirklich ein bißchen Sonnenbank vertragen. Bin fast blind geworden, so grellweiß wie er war. Und ein bißchen abspecken könntest du auch. Hast die Kleine ja fast erdrückt. Und du solltest nicht so sabbern. Das mögen die Frauen gar nicht.«
»Du Schwein. Wieviel?«
»Langsam, immer schön langsam. Also, der Film, ich mein, der Chip ist voll. Sind ein paar nette Schnappschüsse von deinem kleinen Schniedel drauf. Heike hätte nachher immer kotzen können, wenn du mit ihr fertig warst. 100.000.«
Böskes hatte nicht richtig gehört. »Was hast du gesagt?«
»100.000. Und das ganze Programm: keine Bullen, kleine, nicht fortlaufend numerierte Scheine. Alles schön verpackt in einem Werkzeugkoffer. Du hast doch einen Werkzeugkoffer?«
»Hören Sie. Wie soll ich das machen? Ich kann das Geld nicht besorgen. Soviel habe ich nicht frei. Ich stecke bis über die Ohren in Projekten. Und einige Kunden haben ihre Rechnungen noch nicht bezahlt.«
»Das darf doch nicht wahr sein. Für wie blöd hältst du mich eigentlich? Hast wohl zu viele schlechte Krimis gelesen. Die Nummer zieht nicht. 100.000, und das in drei Tagen, sonst schicke ich dir die Web-Adresse mit deinem Arsch. Und dann bist du fertig. Leih dir doch das Geld. Du hast doch Freunde im Brauchtumsclub. Vielleicht hat sogar van den Hövel die Kohle für dich. Brauchst ja nicht zu verraten, wofür du das Geld brauchst. Wenn ich es genau bedenke – wär nicht ohne, die Sache: der Alte bezahlt für die Fotos seiner Tochter und weiß es nicht. Also, in drei Tagen. Ich melde mich wieder bei dir. Und bau schön am Lambert. Der Turm hat das verdient.« Der Ton wurde schneidender. »Ach ja, vielleicht überleg ich es mir noch, und dann kosten Chip oder CD 300.000.« Die Stimme ging unvermittelt in ein meckerndes Lachen über.
Der Kerl war offensichtlich wahnsinnig, dachte Böskes.
»Die Polizei wird sich über die Fotos freuen. Möchte wissen, wie du sie den Bullen erklären willst. Die werden sicher fragen, wann du das letzte Mal bei ihr warst und sie angesabbert hast. Also, schick die Kohle rüber, oder die Fotos landen bei der Polizei.«
»Hören Sie, ich kann …«, weiter kam Böskes nicht. Er hörte nur noch ein Klicken. Er sank in seinem Bürostuhl zurück. Wo sollte er 100.000 Euro herbekommen, ohne daß Christa etwas merkte? Und was wußte der Typ wirklich? Wer war er? Wie konnte er an die Fotos kommen, ohne an den Typen zahlen zu müssen? Und wer sagte ihm, daß es bei dieser einen Diskette oder CD-Rom bleiben würde? Böskes starrte das Telefon an. Dann griff er wieder zum Hörer.
XVII.
Toni van den Hövel ließ es erst dreimal klingeln, bevor er den Hörer abnahm: »Hallo? van den Hövel hier.« Gedankenverloren horchte er in die Leitung. Er hatte völlig vergessen, sich mit der üblichen Firmenbezeichnung zu melden. War aber auch nicht mehr wichtig. Seit dem Tod seiner Tochter war sowieso alles anders, sein Leben war zerstört. Er hatte alles verloren: erst seine Frau, nun seine Tochter, der Sinn und Inhalt seines Lebens waren mit einem Schlag weg. Weg wie seine Tochter. Ihr Lachen, ihre Schritte auf dem Flur, ihre Art, mit einer kurzen Kopfbewegung die Haare aus dem Gesicht zu fegen, wenn sie konzentriert über ihren Abrechnungen saß. Der feine, leicht herbe Geruch des Parfüms auf ihrer Haut war für immer verweht. Er fror plötzlich. Er meinte, von irgendwoher den traurigen Klang eines Pianos zu hören. Mausi. »Hallo, wer ist da?« van den Hövel mußte erst noch einmal nachfragen, bevor er verstand, daß Frank Borsch am anderen Ende der Leitung auf ihn einsprach. »Selbstverständlich können wir uns an Mausis, ich meine, können wir uns an Heikes Wohnung treffen.« Bei dem Klang ihres Namens zog sich van den Hövels Herz zusammen. Mausi, liebe Mausi, dachte er, warum nur? »Natürlich können Sie herkommen, Herr Kommissar. Ich weiß nur nicht, was Sie hier noch finden wollen. Ihre Kollegen haben doch schon alles abgesucht und nichts gefunden. Es ist gut, daß wir in ihre Wohnung gehen. Denn ihre Pflanzen brauchen dringend Wasser.« Auf dem Hof schlug der Hund an. »Die Palmen und Farne werden sonst eingehen. Wann werde ich Heike beerdigen können? Ich muß sie doch beerdigen.«
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