Der Lambertimord
brennen?
NETTETAL. War es jugendlicher Leichtsinn oder der Versuch, das Asylbewerberheim an der Werner-Jaeger-Straße in Lobberich anzuzünden? Fest steht bisher nur, daß sechs bis dato unbescholtene Jugendliche im Alter von 15 bis 18 Jahren am Freitagabend kurz vor 23 Uhr vor der Unterkunft mit einer brennenden Pechfackel hantierten. Der älteste der Gruppe, ein 18jähriger, warf die Fackel in die Luft, worauf diese auf dem Dach des Gebäudes landete und in die Dachrinne rutschte. Glück für die Bewohner des Asylheims und die Täter: Nach dem heftigen Regen am Freitag stand in der Rinne noch reichlich Wasser, und die Fackel erlosch. Ein Polizeibeamter, der sich zufällig in der Nähe befand, alarmierte seine Kollegen. Die stellten das Sextett wenig später. Die sechs Jugendlichen dürften nicht ohne Strafe davonkommen: Gegen sie wurde Anzeige erstattet. Daß es nicht zu einem möglicherweise folgenschweren Brand kam, ist nicht ihr Verdienst. hs
XXV.
Die Besprechung mit Böllmann hatte wenig Neues gebracht. Er hatte nur mehrfach zu verstehen gegeben, »daß wir in zwei unabhängigen Mordfällen ermitteln. Denken Sie bitte daran, meine Damen und Herren. Das bedeutet, daß wir zweigleisig fahren müssen. Auch bei der dünnen Personaldecke, fürchte ich.«
Aber an dem Ergebnis der Lagebesprechung hatte auch der Staatsanwalt nichts ändern können. Es wurde mit den Kollegen abgesprochen, daß am nächsten Tag noch einmal mit dem Polen gesprochen werden sollte, der mittlerweile unter Mordverdacht stand. Außerdem sollten noch einmal die übrigen Arbeiter vernommen werden. Vielleicht hatten sie doch etwas im Umfeld der Firma bemerkt oder beobachtet, das die Ermittlungen weiterbringen könnte. Und es sollte eine Mitteilung an die Presse gehen, in der noch einmal die Bevölkerung um Mithilfe gebeten wurde. Böllmann hatte dabei daraufhingewiesen, daß er die wichtigen Sender selbst anrufen wollte, um die Ermittler aus dem Schußfeld der Kritik zu halten. Er wollte vermeiden, daß der Sonderkommission mangelnder Erfolg vorgeworfen wurde. Gleichzeitig wolle er verhindern, daß die Presse anfing, auf eigene Rechnung zu recherchieren. Das konnten sie in der jetzigen Situation am wenigsten brauchen: Journalisten, die aufgeregt ihre eigenen »hochbrisanten« Rechercheergebnisse zur Lösung des Falls beisteuern wollten. Die Journalisten würden ihre eigene Arbeit nur behindern. Das hatten ähnliche Fälle in den vergangenen Jahren nur zu oft deutlich gemacht.
Besonders mit der Landesredaktion von RTL wollte der Staatsanwalt reden. Die Redaktion hatte schon für die Sendung Explosiv einen von den Fakten her eher dünnen Beitrag abgeliefert, der allerdings mit dubiosen Spekulationen aufgemotzt war. Das »Breyeller Mordmonster« sollte demnach Heike van den Hövel über Monate beobachtet und dann überfallen, mißbraucht und brutal erschlagen haben.
In dem Bericht hatte die Journalistin Bezüge zu »Jack the Ripper« hergestellt: Der unheimliche Mörder, der ruhelos des Nachts durch Nettetal streift. Der mögliche Beginn einer ganzen Mordserie. Das Ganze garniert mit eher belanglosen Interviewfetzen eines Breyeller Gemüsehändlers und einer Rentnerin. Diese Art von Berichterstattung war nur schädlich. »Quotenmacherei der billigsten Sorte«, wie Böllmann am Ende der Lagebesprechung gemeint hatte.
In der provisorischen Pressekonferenz in einem Raum im Untergeschoß des alten Rathauses hatte sich Böllmann anschließend dann jedoch zurückgehalten. Er hatte nur die wenigen Fakten mitgeteilt und um Geduld gebeten. Die wenigen anwesenden schreibenden Journalisten und die Handvoll Hörfunkund Fernsehreporter waren dann auch nach knapp zwanzig Minuten wieder draußen und auf dem Weg in die Redaktionsstuben an ihre Computer. Zumindest für einen ersten kurzen Bericht hatten sie genug Material an die Hand bekommen.
Ein Toter im Wald, verbrannt in einem Auto. Das war in Nettetal an sich schon eine Sensation. Und dann der immer noch ungeklärte Mord an der Tochter des Obsthofbesitzers. Endlich war auf dem Land mal richtig was los, endlich mal was anderes als immer nur die Kleinkriege im Stadtrat zwischen CDU und SPD, endlich mehr als nur Schützenfest und Karneval.
Nun lag Frank zu Hause auf seinem Bett. Aus dem CD-Player klang der fette Bläsersatz der Texas Horns, die W.C. Clarks Cold Blooded Lover auf seiner neuen CD Deep in the heart unterstützten. Er wippte den Takt mit seinen nackten Zehen mit. Bei You left the water
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