Der Lambertimord
Schluhn zurückzuholen. »Vielleicht war es aber auch nur ein Streit unter kleinen Ganoven mit leider tödlichem Ausgang. Es muß nicht immer um eine Frau gehen. Aber wie auch immer, alles Spekulation, so lange wir nicht die Identität des Toten kennen.« Franks Handy klingelte. »Ja? Was? Ach so. Keine Verwandten in Nettetal. Hm.«
Frank hörte weiter schweigend zu. Ecki machte dem Cafébesitzer ein Zeichen, deutete auf die leeren Kaffeetassen, hob zwei Finger und nickte. Der schlanke Gastronom mit leichtem Bauchansatz hatte in seiner langen weißen Schürze die meiste Zeit am Aufgang zum Gastraum gestanden und das Geschehen im Café aufmerksam verfolgt. Nun verschwand er. Das Damenkränzchen schien mittlerweile beim Likör angekommen zu sein. Die Teller waren bereits abgeräumt, und die Bedienung hatte kleine feinstielige Gläser gebracht, in denen eine goldgelbe Flüssigkeit schimmerte.
Frank verabschiedete sich von seinem Gesprächspartner und steckte das Handy wieder in seine Jackentasche. »Es gibt Neuigkeiten. Kurt Masuhr lebt wirklich die meiste Zeit von der Sozialhilfe. Außerdem hat er nur noch eine Tante, die in Frechen wohnt. Masuhr hat wohl noch nie richtig gearbeitet. Von der Sonderschule direkt in das Netz der Staates. Muß für die Sozialarbeiter ein hoffnungsloser Fall gewesen sein. Nicht zu vermitteln. Auch bei der Bundeswehr nach sechs Wochen als untauglich entlassen worden. Ein Kleinkrimineller. Ein bißchen Sachbeschädigung hier, ein bißchen Körperverletzung dort. Im neuen Jahr sollte noch einmal der Versuch einer Resozialisierung versucht werden. Wenn man das Wort in diesem Zusammenhang überhaupt gebrauchen kann. Wie Masuhr sein Auto finanziert hat, ist dem Sozialamt auch nicht so recht klar. Es hat darüber ständig Streit gegeben.«
»Nun wissen wir, daß das Auto am Tatort wirklich zu Masuhr gehört. Aber ist der Tote auch Kurt Masuhr?«
Der Cafébesitzer brachte den beiden den Kaffee an den Tisch. Die beiden Frauen am Nebentisch nutzten die Gelegenheit und sprachen fast gleichzeitig. »Wir möchten bitte zahlen.« Frank hatte indessen keinen Blick für den Aufbruch am Nebentisch. »Schreiber hat mir gerade gesagt, daß Masuhr vom Sozialamt zum Zahnarzt geschickt worden ist. Das ist offenbar auch Teil der Maßnahme: nur mit einem frischen Lächeln gibt es auch eine frische Stelle. Und wir müssen von unseren Steuergeldern auch noch dafür zahlen. Wir brauchen also nur das Gebiß des Toten mit den Unterlagen des behandelnden Zahnarztes zu vergleichen.«
»Und wenn das Ergebnis negativ ist?« Ecki sah den beiden jungen Frauen nach, statt ernsthaft auf Franks Antwort zu warten.
»Dann stehen wir halt immer noch am Anfang.«
»Was ist mit dem Gerücht, daß Masuhr Kontakte zur rechtsradikalen Szene haben soll? Oder muß man schon sagen, gehabt haben soll? Vielleicht hat es in der Skinhead-Szene Streit gegeben. Ist dir eigentlich schon aufgefallen: überall begegnet uns ein Baseballschläger. Das kann kein Zufall sein!«
»Nun mal langsam. Wir werden auf jeden Fall unsere Staatsschützer befragen. Mal sehen, was Beuke so alles zu erzählen hat.«
Ecki sah auf seine Armbanduhr. »Laß uns mal ’rüber gehen. Der Staatsanwalt müßte zur Lagebesprechung auch bald da sein.« An den Fenstern des Cafés sah er die beiden Frauen mit dem Kinderwagen Richtung Supermarkt vorbeigehen. Er sah ihnen nach. »Ich bin mal gespannt, was die Kollegen beim Förster erfahren haben. Und was es in Sachen Heike van den Hövel Neues gibt. Der Fall gefällt mir überhaupt nicht. Was wir bisher an Hinweisen haben, ist so gut wie nichts. Und letztlich hat die Vernehmung der Polen uns auch nicht wirklich weiter gebracht. Außer, daß wir jetzt wissen, daß der Hof von van den Hövel den Polen offenbar über Jahre als Transitbahnhof für die Niederlande gedient hat. Die Spurenlage bei Heike van den Hövel und die Durchsuchung bei den Polen hat nichts Verwertbares für die Aufklärung des Mordes gebracht.«
»Warum erzählst du mir das? Ich habe die Berichte schließlich auch gelesen. So ganz aus der Welt bin ich nun doch nicht. Trotz Lisa. Und trotz Musik. Musik, da fallt mir ein, daß ich noch zu Tommy in Viersen muß. Da steht ein alter Vox AC 30. Ein geiles Teil.«
»’ne geile Blondine wär mir lieber.« Ecki hatte die beiden Frauen aus dem Café schon wieder vergessen.
»Du wirst den Blues nie verstehen.«
»Gott sei Dank. Zahlen bitte.«
Jugendliche warfen Fackel – Sollte Asylheim
Weitere Kostenlose Bücher