Der Lambertimord
Er konnte nur in Bruchstücken hören, daß es auf Platt um eine »Billa« ging, die »sich beim letzten Kegeln unmöglich Hans gegenüber verhalten hat. Das hättet ihr erleben sollen …« Dabei stach sie mit ihrer Gabel Löcher in die Luft.
Frank bemühte sich, nicht hinzuhören. Ecki bestellte zwei Milchkaffee. Frank sah sich um. Die Einrichtung des Cafés schwankte zwischen Kitsch und freundlichem Kunsthandwerk. Die großen Fenster ließen an hellen Tagen sicher viel Licht in das Café. Aber an diesem Wintertag brannte längst die Innenbeleuchtung. Die fleckig gelb gestrichenen Wände waren ein wohltuender Kontrast zu der ansonsten dunklen Einrichtung.
Die Einrichtung wirkt irgendwie leblos, dachte Frank. Daran konnten auch die kitschigen Kunststoffiguren nichts ändern, die wie aus Holz geschnitzt aussehen sollten und hinter einer Eckbank als Musikkapelle aufgestellt waren. Die schwarzen Plastikmusiker hatten den verstaubten Charme von Onkel Toms Hütte und sollten wohl eine Jazzband aus New Orleans darstellen. Was mochte sich der Caféhausbesitzer bei dieser Dekoration nur gedacht haben?
Am Nebentisch saß eine junge Frau und unterhielt sich angeregt mit ihrer Freundin. Ein offener Kinderwagen stand zwischen ihnen am Tisch. Darin saß ein kleines Mädchen und kaute offenbar an einer Gebäckstange. Eine hübsche Mutter hast du, dachte Frank, und sah die schlanke Frau an. Sie mochte Anfang dreißig sein, trug Stiefeletten, darüber eine enge schwarze Hose. Über eine weiße Bluse hatte sie eine enge hellbraune Strickjacke gezogen. Ihre brünetten Haare trug sie halblang. Ihr sorgfältig geschminktes Gesicht wirkte offen und freundlich. Ihr helles Lachen war ansteckend. Die junge Mutter beugte sich hin und wieder zu ihrem Kind hinunter und wischte ihrer Tochter mit einem Tempo den Mund ab.
Frank mußte sich von dem Anblick losreißen. Warum hab’ ich eigentlich noch keine Kinder. Seine Frau hatte nie welche gewollt. Zumindest hatten sie nie wirklich ernsthaft über diese Frage nachgedacht. Vielleicht hatten sie in den vergangenen Jahren einfach den richtigen Zeitpunkt verpaßt.
Mit Lisa hatte er im Grunde auch nicht wirklich über die gemeinsame Zukunft gesprochen. Eigentlich war klar, daß sie zusammen bleiben wollten. Zusammen alt werden: wie oft hatten sie über diese Formulierung Witze gemacht. Ich werde dich dann im Rollstuhl zur Pensionärsfeier schieben, hatte Lisa gewitzelt. Und dann wirst du mich dort abgeben und dich anschließend mit deinem Lover treffen, hatte er geantwortet. Zum Dank dafür hatte sie ihn mit Kissen beworfen und sich auf ihn gestürzt. Aber Kinder waren nie ein Thema gewesen zwischen ihnen beiden. Warum eigentlich nicht? Frank wußte auch darauf keine Antwort.
»Hey, träumst du?« Ecki stupste Frank an. »Hallo? Dein Freund ist da. Wir sitzen in einem Café und wollen uns unterhalten. Hallo.«
»Schon gut, Ecki, ’tschuldige, habe nur nachgedacht.«
»Kann mir schon denken, worüber. Vergiß Lisa.«
»Spinnst du? Lisa ist nicht eines von deinen Mädchen, die du in Himmerich oder im E-dry triffst. Lisa ist keine Frau nur für ein Wochenende. Lisa ist etwas ganz Besonderes.«
»Schon klar, und du bist Ben Affleck, dem sie zu Füßen liegt. Mensch Frank, wach endlich auf! Es ist aus! Das mußt du wohl akzeptieren. Sonst hätte sie dich längst wieder in ihr Bett gelassen.«
»Du kannst auch an nichts anderes denken als Sex, was?« Frank begann, sich zu ärgern. Aber nur, weil er sich mittlerweile eingestehen mußte, daß Ecki mit seinen Prognosen recht haben könnte. »Laß man, ich bringe das mit Lisa schon noch wieder in die Reihe.«
»Worum geht es denn überhaupt?«
»Wenn ich das nur wüßte. Sie sagt ja nichts, läßt mich nicht mehr in die Wohnung, und beantwortet meine Anrufe nicht. Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich denken soll.«
»Daß sie einen neuen Freund hat, das solltest du denken.«
Frank nahm einen Schluck von dem heißen Kaffee und verbrannte sich dabei den Mund. »Verdammt, ist der heiß.«
Die junge Mutter sah zu ihnen rüber und lächelte Frank an.
»Und du solltest dich langsam nach einer anderen umsehen.« Ecki ließ nicht locker. »Es muß ja nicht gleich eine Mutter mit Kind sein.« Ecki hob dabei leicht die Hand und lächelte hinüber zu dem Tisch mit den beiden jungen Frauen. Die beiden taten ganz so, als hätten sie es nicht bemerkt, und steckten statt dessen ihre Köpfe zusammen.
»Komm, laß gut sein, Ecki. Meine Frauen suche ich
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