Der Lambertimord
schwanger, Ende dritter Monat. Nein, kein Zweifel. Der Pathologe irrt sich nicht. Ganz bestimmt.« Frank hielt die Hand über den Hörer und sah Ecki an. »Der ist fix und fertig.«
Ecki nickte teilnahmsvoll und stand auf, um sich einen Kaffee zu holen. Er deutete auf Frank und den Becher. Frank schüttelte den Kopf.
»Nun beruhigen Sie sich doch, Herr van den Hövel. Sie können übrigens Ihre Tochter jetzt beerdigen. Ja, der Leichnam ist freigegeben. Ja. Nein, da gibt es keine Probleme mehr. Da können Sie ganz beruhigt sein. Und Sie haben wirklich keine Vermutung, wer der Vater des Kindes sein könnte? Denken Sie nach, vielleicht fällt Ihnen ja doch noch jemand ein, mit dem Ihre Tochter zusammen war. Ja, gut, Sie können mich jederzeit anrufen. Guten Tag.« Frank legte auf.
van den Hövel war völlig aus der Fassung geraten, durch sein heftiges Atmen und das unterdrückte Weinen war er kaum zu verstehen gewesen. Sicher noch ein zusätzlicher harter Schicksalsschlag für den Unternehmer, der nun völlig vor den Scherben seiner Existenz stand. Seine Tochter tot, die zudem noch den möglichen Erben in sich getragen hatte.
Frank rieb sich mit beiden Händen durchs Gesicht. Von seinem Platz aus konnte er auf den Marktplatz sehen. Die Welt draußen vor dem Fenster sah friedlich aus. Der strahlend blaue Himmel war an seinen Rändern hellgrau. Die Sonne schien, trotzdem war es winterlich kalt. An der Bushaltestelle stand eine alte Frau in einem dicken Mantel, eine Hand stützte sie auf einen Trolley, der neben ihr stand. Zwei Fahrradfahrer begegneten sich und grüßten. Die Tür zum Café Schluhn stand offen. Die Parkplätze vor dem Supermarkt waren voll. Eine Mutter mit Kinderwagen ging quer über den Platz, auf dem mit unterschiedlichem Pflaster die Achse der ehemaligen Lambertuskirche nachgebildet war, die vor hundert Jahren dem »Neubau« hatte weichen müssen, der direkt nebenan gebaut worden war.
Breyell, durch und durch katholisch – und trotz der kommunalen Neugliederung vor weit mehr als zwanzig Jahren – immer noch ein Dorf. Ein Dorf, in dem jeder jeden kannte und in dem nichts geschehen konnte, ohne daß es von den Alteingesessenen aufmerksam und akribisch registriert und bewertet wurde. Die festen Strukturen waren immer noch in das Wechselspiel von Kirche und Gemeinderat eingebunden, und daran wollte niemand wirklich etwas ändern.
Jeder hatte seine ihm durch Geburt zugewiesene Stellung. Schützenfest, Pfarrfest und Karneval, das waren die Höhepunkte im Dorfleben, das auf Frank nach den vielen Jahren außerhalb seiner Heimat eng und doch beschützend wirkte. Andererseits, so schlecht war eine festgefügte Ordnung nun auch wieder nicht. So hatte man wenigstens Orientierungspunkte in einem gesellschaftlichen Leben, das doch immer unüberschaubarer wurde.
»Na, träumst du wieder?« Ecki hatte sich einen Kaffee geholt und riß Frank aus seinen Gedanken.
»Ich frage mich gerade, ob ich wieder in Breyell leben könnte.«
»Und, könntest du?«
»Ich weiß nicht. Ich bin wohl schon zu lange weg aus dem Dorf. Ich kenne ja kaum mehr jemanden. Hin und wieder, wenn ich nach dem Besuch auf dem Friedhof durchs Dorf gehe, dann kommen mir die Gesichter der Älteren bekannt vor, und ich kann mich an Szenen von früher erinnern, in denen diese Gesichter eine Rolle spielten. Aber ich weiß heute nicht mal mehr ihre Namen.«
»Also, ich find’s schön in Breyell. Sieht doch gemütlich aus. Und das ganze Grün drumherum. Ist fast wie im Hardter Wald bei meinen Eltern.«
»Trotzdem, vielleicht ist es ganz gut so, daß ich nicht mehr hier lebe. Vielleicht wäre ich, tja, was wäre ich dann? Ich weiß auch nicht. Vielleicht, vielleicht, ist ja auch egal. Sag mir lieber, was es sonst noch gibt.«
»Also«, Ecki nahm einen Schluck aus seinem Becher, »also, die KTU, besser gesagt das LKA, hat das Handy von Heike van den Hövel knacken können. Ich habe hier die Liste mit den Anrufen in den vergangenen Monaten. Die Telefongesellschaften sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Hat auch ziemlich lange gedauert, bis die Unterlagen da waren. Die Kollegen vom LKA haben die Liste nach ihren Suchkriterien schon durchgecheckt. Für die Kollegen ist sie sauber.«
»Und für uns? Mach’s nicht so spannend.«
Ecki verzog das Gesicht. »Ich bin noch nicht so weit. Ich hab auch noch was anderes zu tun. Ich habe mich mit den Nummern noch nicht so recht beschäftigen können. Ich bin jedenfalls dran.«
Frank fiel ihm ins
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