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Der Landarzt (German Edition)

Der Landarzt (German Edition)

Titel: Der Landarzt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Schmerzen lindert, verbindet der andere die Wunden des Vaterlands. Doch Sie reizen meine Neugierde aufs höchste. Kann ich Ihnen denn irgendworin nützlich sein?«
    »Nützlich?« sagte der Major mit bewegter Stimme. »Mein Gott, mein lieber Monsieur Benassis, der Dienst, den mir zu erweisen ich Sie bitten wollte, ist beinahe unmöglich. Sehen Sie, ich habe wohl Christenmenschen in meinem Leben getötet, doch kann man Leute töten und ein gutes Herz haben; so rauh ich auch erscheinen mag, kann ich doch gewisse Dinge verstehen ...«
    »Aber reden Sie!«
    »Nein, freiwillig mag ich Ihnen keinen Schmerz bereiten.«
    »Oh, Major, ich kann sehr viel ertragen!«
    »Mein Herr,« sagte der Militär bebend, »es handelt sich um eines Kindes Leben ...«
    Benassis' Stirn faltete sich plötzlich, er forderte aber Genestas durch eine Gebärde zum Weiterreden auf.
    »Ein Kind,« fuhr der Major fort, »das durch beständige und gewissenhafte Pflege noch gerettet werden kann. Wo aber soll man einen Arzt finden, der imstande wäre, sich einem einzigen Kranken zu widmen? Sicherlich in keiner Stadt. Ich hatte von Ihnen als von einem ausgezeichneten Manne reden hören, hatte aber Angst, von einem angemaßten Rufe getäuscht zu werden. Nun, ehe ich meinen Kleinen jenem Monsieur Benassis, von dem man mir so viele schöne Dinge erzählte, anvertraute, wollte ich ihn kennenlernen. Jetzt ...«
    »Genug,« sagte der Arzt. »Das Kind gehört also Ihnen?«
    »Nein, mein lieber Monsieur Benassis, nein; um Ihnen dies Geheimnis zu erklären, müßte ich Ihnen eine Geschichte erzählen, in der ich nicht die schönste Rolle spiele; doch Sie haben mir Ihre Geheimnisse anvertraut, also kann ich Ihnen wohl auch meine sagen.«
    »Warten Sie, Major,« sagte der Arzt, indem er Jacquotte rief, die sofort kam, und bei der er seinen Tee bestellte. »Sehen Sie, Major, abends, wenn alles schläft, schlafe ich nicht ... All mein Kummer stürmt dann auf mich ein, und ich suche ihn dann beim Teetrinken zu vergessen. Dies Getränk verschafft mir eine Art nervösen Rauschzustandes, einen Schlaf, ohne den ich nicht leben würde. Wollen Sie immer noch keinen trinken?«
    »Ich ziehe Ihren Eremitagewein vor,« erwiderte Genestas.
    »Gut. – Jacquotte,« sagte Benassis zu seiner Haushälterin, »bringen Sie Wein und Biskuits. – Wir wollen uns für die Nacht berauschen,« fuhr der Arzt, sich an seinen Gast wendend, fort.
    »Der Tee muß Ihnen doch sehr schaden!« sagte Genestas. »Er verursacht mir furchtbare Gichtanfälle, aber ich könnte von dieser Gewohnheit nicht lassen, sie ist zu süß, sie verschafft mir allabendlich einen Augenblick, währenddessen das Leben weniger drückend ist ... Nun, ich höre Ihnen zu. Ihre Erzählung wird vielleicht den allzu lebhaften Eindruck der Erinnerungen, die ich eben wachgerufen habe, mildern ...«
    »Mein lieber Herr,« sagte Genestas, sein leeres Glas auf den Kamin stellend, »nach dem Rückzuge von Moskau erholte sich mein Regiment in einem kleinen Dorfe Polens. Wir kauften uns dort für ein Sündengeld neue Pferde und blieben bis zu des Kaisers Rückkunft daselbst in Garnison. Nun, da ging's uns gut! Ich muß Ihnen sagen, daß ich damals einen Freund hatte. Während des Rückzuges wurde ich mehr als einmal durch die Sorgfalt eines Unteroffiziers namens Renard gerettet, der für mich Dinge tat, woraufhin zwei Männer außerhalb der Forderungen der Disziplin Brüder sein müssen. Wir waren zusammen in dem gleichen Hause untergebracht, in einem jener aus Holz gezimmerten Rattenlöcher, wo eine ganze Familie hauste und Sie gemeint hätten, kein Pferd einstellen zu können. Diese elende Hütte gehörte Juden, die ihre sechsunddreißig Gewerbe darin ausübten, und der alte Judenvater, dessen Finger nicht zu steif geworden waren, um Gold anzufassen, hatte während unseres Rückzuges gute Geschäfte gemacht. Diese Leute da leben im Dreck und sterben im Golde. Ihr Haus war über Kellern aus Holz, wohlverstanden, erbaut, in welche sie ihre Kinder gesteckt hatten, und vor allem eine Tochter, die schön war, wie eine Jüdin, wenn sie sich sauber hält und nicht blond ist. Die war siebzehnjährig, weiß wie Schnee, hatte Samtaugen, Wimpern schwarz wie Rattenschwänze, glänzende dichte Haare, die zum Streicheln lockten; ein wirklich vollkommenes Geschöpf! Kurz, mein Herr, ich bemerkte als erster diese eigenartigen Vorräte eines Abends, als man mich schlafen wähnte und ich, mich auf der Straße ergehend, in Frieden meine Pfeife

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