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Der Landarzt (German Edition)

Der Landarzt (German Edition)

Titel: Der Landarzt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Arzt, als er die Fosseuse nicht auf der Türschwelle sah.
    Sie traten ein und fanden in dem Wohnräume des Erdgeschosses niemanden vor.
    »Sie wird das Getrappel zweier Pferde gehört haben,« sagte Benassis lächelnd, »und hinaufgegangen sein, um ein Häubchen, einen Gürtel, irgendwelchen Putz anzulegen.«
    Er ließ Genestas allein und ging selber hinauf, um die Fosseuse zu holen. Der Major inspizierte das Wohnzimmer. Die Mauer war mit einer graugrundigen Tapete mit Rosenmustern beklebt und die Diele mit einer Strohmatte wie mit einem Teppich belegt. Stühle, Sessel und Tisch bestanden aus Holz, das noch mit seiner Rinde bekleidet war. Verschiedene aus Reifen und Weidengeflecht gefertigte Pflanzenkästen waren mit Blumen und Moos gefällt und schmückten das Zimmer, dessen Fenster Perkalvorhänge mit roten Fransen drapierten. Auf dem Kamin stand ein Spiegel und eine einfarbige Porzellanvase zwischen zwei Lampen; bei dem Sessel eine fichtene Fußbank. Dann auf dem Tisch zugeschnittene Leinwand, einige zusammengesteckte Achselstücke, angefangene Hemden, kurz das ganze Werkzeug einer Weißnäherin, ihr Korb, ihre Schere, Nähfaden und Nadeln. All das war sauber und frisch wie eine vom Meere an einen Strandwinkel ausgeworfene Muschel. Auf der anderen Seite des Flurs, an dessen Ende eine Treppe emporführte, bemerkte Genestas eine Küche. Der erste Stock mußte wie das Erdgeschoß aus nur zwei Zimmern bestehen.
    »Haben Sie doch keine Furcht!« sagte Benassis zur Fosseuse. »Auf, kommen Sie ...«
    Als er diese Worte hörte, trat Genestas schnell wieder ins Zimmer. Ein dünnes und wohlgebautes junges Mädchen in einem Kleide mit einem vielgefälteten rosa Perkalinbrusttuch ließ sich bald, glühend vor Scham und Schüchternheit, sehen. Ihr Gesicht fiel nur durch eine gewisse Flachheit der Züge auf, die sie jenen Russen- oder Kosakengesichtern ähneln ließ, welche das Unglück von 1814 in so unseliger Weise in Frankreich populär gemacht hat. Die Fosseuse hatte tatsächlich wie die Nordländer eine an der Spitze aufgestülpte und sehr wenig vorspringende Nase. Ihr Mund war groß, ihr Kinn klein, ihre Hände und Arme waren rot, ihre Füße breit und kräftig wie die der Bäuerinnen. Obwohl sie der Wirkung des Windes, der Sonne und der frischen Luft ausgesetzt war, war ihr Teint bleich wie ein welkes Kraut, doch lenkte diese Farbe gleich beim ersten Anblick die Aufmerksamkeit auf ihre Physiognomie. Sodann hatte sie in ihren blauen Augen einen so sanften Ausdruck, in ihrer Stimme soviel Seele, in ihren Bewegungen soviel Anmut, daß trotz des offenbaren Nichtübereinstimmens ihrer Züge mit den Eigenschaften, die Benassis dem Major gegenüber gerühmt hatte, dieser das kapriziöse und kränkliche Geschöpf, das den Leiden einer in ihrer Entwicklung gehemmten Natur ausgeliefert war, in ihr erkannte. Nachdem sie schnell ein Feuer aus Torf und trocknem Gezweig angefacht hatte, setzte sich die Fosseuse in einen Sessel, nahm ein angefangenes Hemd zur Hand und blieb unter den Augen des Offiziers ein wenig schamhaft, die Augen nicht aufzuheben wagend, anscheinend ruhig; doch die schnellen Bewegungen ihres Mieders, dessen Schönheit Genestas in Erstaunen setzte, offenbarte ihre Furcht.
    »Nun, mein armes Kind, sind Sie gut vorangekommen?« fragte Benassis, die zum Hemdennähen bestimmten Leinenstücke anfassend.
    Die Fosseuse sah den Arzt mit furchtsamer und flehender Miene an.
    »Schelten Sie mich nicht, Herr,« antwortete sie, »ich hab' heute nichts daran getan, obwohl sie mir von Ihnen und für Leute, die sie sehr nötig haben, in Auftrag gegeben worden sind; doch das Wetter war so schön! Ich bin spazierengegangen, habe Champignons und weiße Trüffeln für Sie gesucht und Jacquotte gebracht. Sie ist recht zufrieden gewesen, denn Sie haben Besuch zum Essen. Ich war ganz glücklich, das erraten zu haben. Irgend etwas befahl mir, deren zu suchen.«
    Und sie fing wieder an, die Nadel zu führen.
    »Sie haben da ein sehr hübsches Haus, mein Fräulein,« sagte Genestas zu ihr.
    »Es ist nicht meins, mein Herr,« antwortete sie, den Fremden mit Augen betrachtend, die rot zu werden schienen, »es gehört Monsieur Benassis.«
    Und ihr Blick suchte wieder den Arzt.
    »Sie wissen genau, mein Kind,« sagte er, ihre Hand ergreifend, »daß man Sie niemals daraus vertreiben wird.«
    Mit einer brüsken Bewegung stand die Fosseuse auf und ging hinaus.
    »Nun,« sagte der Arzt zu dem Offizier, »wie finden Sie sie?«
    »Sie hat mich

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