Der Lange Weg Des Lukas B.
in die Küche. Der teuerste Fisch, den ich je bekommen habe. Und er stinkt.«
Nelly brachte die Mamsell aus der Küche mit. Die tippte mit dem Finger auf den Hecht und schaute sich die Fischaugen an. »Wie können Sie, Herr Baron, sagen, das Tierchen stinkt? Es ist ein hervorragender Fisch. Ich werde ihn spicken, Herr Baron, mit angeräuchertem Speck. Ein Festbraten wird das.«
»Schon gut. Schaff das Monstrum endlich fort.« Er öffnete ein Glasschränkchen, holte eine Flasche und zwei Gläser heraus, sagte »Trinken wir auf Amerika, Meister Bienmann« und goss die Gläser randvoll.
Während die Männer tranken, schaute sich der Junge im Zimmer um. Es hingen viele gewichtige Gemälde an den Wänden. Auf dunklem Hintergrund waren die Halbgestalten der Vorfahren des von Knabig dargestellt und blickten ernst ins Leere. Das Bild, das sein Vater gemalt hatte, erkannte der Junge auf den ersten Blick. In glühenden Farben war ein Hornist dargestellt, der wohl das Signal »Jagd aus« blies, denn viele Stücke Wild, Hasen, Tauben und Rebhühner lagen ausgestreckt am Boden. Der Baron sah, dass der Junge das Bild anstarrte, seufzte und sagte: »Es ist eine Schande mit dem Karl. Er ist der größte Filou, der mir je über den Weg gelaufen ist.«
Sie ließen das Herrenhaus hinter sich, schritten durch die Allee und bogen in die Landstraße ein. Dem Jungen ging das Bild nicht aus dem Kopf, das der Baron hinter seinem Schreibtisch an der Wand hängen hatte. Er hatte das Gemälde gelobt. Aber was meinte er, als er sagte »Dein Vater, das ist der größte Filou, der mir je über den Weg gelaufen ist«?
»Was ist mit meinem Vater?«, fragte er schließlich den alten Mann.
»Ich will dir heute alles von deinem Vater erzählen, Luke. Du weißt ja, er kann gut malen. Er ist überhaupt ein geschickter Mann. Aber er und ich, wir haben nicht zusammengepasst. Alles ist schief gegangen, was ich mit ihm angefangen habe. Ich nahm ihn in die Lehre. Was ein Zimmermeister können muss, das hätte er von mir lernen können. Es wurde nichts Gutes daraus. Er konnte das frische Holz nicht riechen. Ich habe es im Guten versucht und mit Strenge. Vielleicht zu sehr mit Strenge. Er ist mir zwischen den Händen weggeschlüpft. Ich habe ihn, als es nicht gehen wollte mit der Lehre, zu einem anderen Zimmermeister nach Allenstein geschickt. Ich habe mir gedacht: Vielleicht ist es nicht richtig, wenn der Vater zugleich der Lehrmeister ist. Nach einem halben Jahr, mitten im Winter, ist Karl von Allenstein zu Fuß zu uns zurückgelaufen. Das sind 70 Kilometer. Er war mager geworden und sah abgerissen aus. Kein Zeugnis hat er mitgebracht, keine Erklärung. Sogar sein Werkzeug hat er in der Stadt zurückgelassen. Aber eine Mappe voller Bilder und seine Pinsel und Farben in einem Sack, die hat er mitgeschleppt. Ein alter Maler habe ihm viel beigebracht, hat er gesagt. Ich bin dann nach Allenstein geritten und habe mich für meinen Sohn bei dem Meister entschuldigt. Bevor ich mir das Werkzeug aufgepackt habe, hat der Meister mir gesagt: ›Das Lehrgeld, Friedrich Bienmann, das du mir gezahlt hast, das ist für dich ja nun verfallen. Denn dein Karl hatte keinen Grund ohne ein Wort wegzugehen. Aber der Rat, den ich dir gebe, der ist das Geld wohl wert. Aus deinem Jungen, Friedrich Bienmann, wird nie ein Zimmermann. Der hat was Größeres in den Händen. Aus dem kann ein Maler werden. Schick ihn nach Königsberg in die Malschule.‹ Er ist dem Karl nicht böse gewesen, obwohl er auf der Baustelle viel Ärger mit ihm gehabt hat. Ich habe nicht auf ihn gehört. Schließlich hatte ich ganz andere Pläne mit Karl und dachte nicht daran, ihn nach Königsberg zu den Farbklecksern zu schicken.
Karl ist dann mit mir auf den Bau gezogen und hat getan, was ich ihm gesagt habe. Wenn er aber einen Balken aus dem Stamm schlagen sollte, dann musste Lenski oder ein anderer Geselle hinterher die Scharten aushauen. Nicht mal die große Säge konnte er gerade herunterziehen, wenn’s ans Bretterschneiden ging, und es gab nie eine glatte Schnittfläche. Schließlich murrten die Gesellen und wollten ihn nicht unter dem Stamm an der Säge dulden. Im Sommer blieb er oft tagelang fort. Sein Malzeug nahm er mit. Wenn er dann wieder da war und schlief, habe ich mir heimlich angesehen, was er gemalt hat, und ich habe zugestehen müssen, es waren Bilder, die mir gefielen. Zugleich aber wurde meine Angst um Karl immer größer. Was sollte aus ihm werden? Ich kenne keinen, der durch Malen
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