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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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schaute in die Halle. »Ach, Bienmann, Sie sind’s. Guten Morgen. Gehen Sie nur hinauf, Sie kennen sich ja aus. Der gnädige Herr ist in seinem Büro. Er erwartet Sie heute.«
    »Guten Morgen, Nelly«, erwiderte der alte Mann den Gruß. »Siehst so feierlich aus, heute.«
    »Na, wenn schon der Herr Baron im Haus ist.«
    Der alte Mann ging über die schön geschwungene Holztreppe ins Obergeschoss.
    »Du, Lukas, kommst besser mit in die Küche«, sagte Nelly, als sie sah, dass der Junge dem alten Mann folgte.
    »Nein, Nelly, Luke geht mit mir. Er hat ein Geschenk für den Herrn Baron.«
    »Man riecht’s«, knurrte Nelly und rümpfte die Nase. »Nimm wenigstens die Mütze vom Schädel, Jungchen.«
    Der alte Mann klopfte an eine der vielen Türen, die vom langen Flur aus in die Zimmer führten.
    »Herein!«, schallte es von drinnen.
    Der alte Mann öffnete die Tür und ließ dem Jungen den Vortritt. Ein grobschlächtiger Riese mit einem schlohweißen Schnurrbart und rotem Gesicht saß hinter einem Schreibtisch, der über und über mit Papieren bedeckt war.
    »Aha, der Zimmermeister«, rief der Baron. »Und wenn er schon das Geld nicht bringen kann, dann bringt er wenigstens seinen Sohn.«
    »Mein Enkel ist er, nicht mein Sohn. Der Junge ist von meinem Karl.«
    »Soso.« Der Baron schien einen Augenblick verlegen.
    Da schritt der Junge auf ihn zu, ohne sich im Zimmer umzusehen zwar, aber auch ohne den Rücken zu beugen, und sagte laut: »Ich habe, Herr Baron, den stärksten Hecht gefangen, der seit Menschengedenken aus unseren Seen gezogen worden ist. Ich möchte Ihnen, Herr Baron, den Fisch schenken.« Dabei legte er den Fisch auf den Boden vor den Schreibtisch und zog das Tuch glatt, in dem er ihn hergetragen hatte. Der Baron schob den Stuhl zurück, kam um den Schreibtisch herum und schaute sich den Fisch an.
    »Kolossales Biest«, sagte er. »Ob der noch zu genießen ist?«
    »Er muss gut gespickt werden«, meinte der alte Mann.
    Der Baron ging auf ihn zu und reichte ihm die Hand. »Guten Morgen, Friedrich Bienmann.«
    Er küsst ihm die Hand nicht, dachte der Junge. Der Baron schien das auch nicht zu erwarten. Vielmehr bot er dem alten Mann einen Stuhl vor einem runden Kirschholztischchen an und setzte sich selbst so dazu, dass er den Fisch genau betrachten konnte. Er ließ sich von dem Jungen berichten, wie er den Fisch gefangen habe. Der Junge tat das, knapp und mit klarer, lauter Stimme. »Ich möchte auch lieber mit der Angel los oder auf die Jagd. Aber der Papierkram bringt einen noch um.« Er zeigte auf den Schreibtisch.
    »Lukas Bienmann, Enkel des Friedrich Bienmann, komm zu mir.« Der Junge trat nahe an ihn heran. »Du sollst nicht sagen, der Baron von Knabig sei ein alter Knausersack. Hier, ich schenke dir ein Goldstück. Zehn Mark mit dem Bild des Königs. Und der Deibel soll dich holen, wenn du es nicht sorgfältig aufhebst.«
    »Danke, Herr Baron.«
    »Und nun zu Ihnen, Meister Bienmann. Ich kann mir Ihren Spruch schon denken. Es war ein nasser Herbst. Der Sommer hat auch nicht viel eingebracht. Sie können nicht alles zahlen, was Sie mir schuldig sind.«
    »So ist es, Herr Baron«, bestätigte der alte Mann. »Genau gesagt wollte ich Ihnen nicht einmal die 180 Taler zahlen, die ich bei mir habe.«
    »Nicht einmal 180 Taler? Wie soll ich das verstehen?« Der Baron erhob sich schroff, ging mit wuchtigen Schritten zu seinem Schreibtisch, zog eine Schublade auf und holte einen dünnen, breiten Holzspan hervor.
    »Kennen Sie diesen Ihren Schuldschein, Friedrich Bienmann?«
    Der alte Mann nickte.
    »Sie schulden mir, Mann, noch 1525 Taler. Woher, sagen Sie mir, woher soll das Geld kommen, wenn ich nicht Ihr Haus und Ihren Hof in Zahlung nehme?«
    »Aus Amerika«, antwortete der alte Mann.
    »Aus Amerika?« Der Baron setzte sich wieder an den Tisch. »Amerika. Gar kein übler Gedanke. Wollen Sie unter die Goldgräber gehen?«
    »Zimmerleute werden in Amerika gesucht. Ich nehme meine Kolonne mit und fahre für zwei Jahre in die Staaten.«
    »Amerika. Das mag gehen, Meister Bienmann. Ich bin einverstanden. Aber eins müssen Sie wissen, wenn Sie mir nach zwei Jahren die Taler nicht auf den Tisch des Hauses legen, dann muss Ihr Hof dran glauben.«
    »Die Dollars«, sagte der alte Mann.
    »Wie?«
    »Na, Dollars werd ich Ihnen zahlen, keine Taler.«
    »Gold ist Gold«, brummte der Baron, schritt durch das Zimmer, riss die Tür auf und schrie in das Treppenhaus: »Nelly! Komm herauf und schaff den verdammten Fisch

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