Der Lange Weg Des Lukas B.
ausmalen lassen wollte. Denn unter dem alten, schadhaften Dach hatte der Anstrich sehr gelitten. Das wollte der Pfarrer wohl. Vierzehn Tage später hat der Karl ihm eine ganze Mappe voller Skizzen und Entwürfe vorgelegt und der Pfarrer hat ihm den Auftrag gegeben.
Wir haben ein Fest gefeiert. Denk dir, der alte Steinwald ist gekommen, hat seine Frau mitgebracht und hat gemeint, jetzt, wo die Kirche ihren Segen dazugegeben habe, scheine die Malerei von Karl ja Hand und Fuß zu haben. Er jedenfalls werde nicht länger im Wege stehen, wenn die Marie den Karl heiraten wolle. Und ob die Marie wollte. Vier Wochen später schon war in Lindenort die Verlobung. Hätte ich nur alles dabei belassen. Aber dann hörte ich die verdammte Nachricht, dass in Leschinen der Kaufmann gestorben war. Ein Mann in den besten Jahren. Wurde von einem tollwütigen Hund gebissen und war nach ein paar Wochen tot. Der Laden stand zum Verkauf. Es war ein gutes Geschäft gleich der Kirche gegenüber, eine Schankstube gehörte auch dazu. Weil man bei einem solchen Haus die Lage mitbezahlen muss, verlangte die Witwe 3800 Taler für Anwesen, Gebäude und Inventar. Ich dachte mir, das sei genau das Richtige für Marie und Karl. Mit dem alten Steinwald habe ich es beredet. Die jungen Leute waren Feuer und Flamme, besonders die Marie. ›Ich werde das Geschäft schon leiten‹, sagte sie. ›Der Karl kann dann an seinen Bildern malen, so lange er will.‹
Es sah alles gut aus. Aber die 3800 Taler waren nicht zur Hand. Rund 500 Taler hatte der Karl auf die hohe Kante gelegt, seit er hinter der Marie her war. 1000 wollte ich vorschießen. Der alte Steinwald blieb zugeknöpft. Seine Marie habe eine gute Aussteuer zu erwarten, und damit basta. Dabei blieb es. Schließlich habe ich es geschafft, das Geld zusammenzukratzen. Ich hatte von meiner Mutter ein paar kostbare Schmuckstücke geerbt, die sie aus dem Herzbergschen Elternhaus mitgebracht hatte. 200 Taler hat mir ein Goldschmied in Königsberg dafür ausgezahlt. 100 hatte die Marie gespart. Die restliche Summe von 2000 Talern hat Karl von dem Baron geliehen bekommen.
›Wenn dein Vater, der Friedrich Bienmann, für dich bürgt.‹ Das war die Bedingung, die der Baron stellte. Nicht mehr wie recht, denke ich.
Karl kam mit dieser Nachricht zu mir auf die Baustelle. Wir arbeiteten damals weit in Russisch-Polen, waren von Dorf zu Dorf gezogen und hatten überall Aufträge bekommen. Wie der Karl es geschafft hat, zu Fuß die 150 km von Liebenberg bis zur Baustelle in drei Tagen zu laufen, das kann ich mir heute noch nicht erklären. Ich habe mit dem breiten Handbeil einen hauchdünnen Span von einem Buchenklotz abgeschlagen, darauf gespuckt und mit einem Blaustift die Bürgschaft geschrieben. Vierzehn Tage später war der Karl Eigentümer. Der Laden und die Schankstube gehörten ihm. Es wurde geheiratet. Alles gelang, wie ich es erhofft hatte. Du wurdest geboren. Deine Mutter hatte es schwer mit dir. Schließlich bist du wie der römische Caesar auf die Welt gekommen.«
»Was heißt denn das?«, wollte der Junge wissen.
»Der Arzt aus Ortelsburg musste geholt werden. Er hat dich aus dem Leib der Mutter herausgeschnitten. Sie hat drei Wochen lang auf den Tod gelegen. Dann hat sie sich wieder in den Laden geschleppt. Es hat lange gedauert, bis sie wieder gesund geworden ist. Kinder allerdings konnte sie keine mehr bekommen.
Die 2000 Taler übrigens drückten den Karl nicht. Der Baron hatte verlangt, dass sie nach zehn Jahren wieder zurückzuzahlen seien, und statt der Zinsen hat er sich ausbedungen, dass Karl ihm in jedem Jahr ein Ölbild auf Leinwand ins Haus liefere.
Je näher aber dieses zehnte Jahr kam, umso unruhiger wurde Karl. Er hatte zwar hin und wieder gemalt und auch ein paar Bilder verkauft. Aber häufiger als vor der Staffelei stand er hinter der Theke in der Schankstube. Er war kein übler Wirt und konnte die Gäste gut unterhalten. Der Wirt schien den Maler allmählich aus Karl herauszusaugen.
Wann er eigentlich das Trinken und Spielen wieder angefangen hat, weiß ich nicht genau. Es muss da irgendeine geheimnisvolle Sache in Russisch-Polen gewesen sein, bei der er sogar seinen Zimmermannsring aus dem Ohr verloren hat. Die Marie hat lange verheimlicht, wie es mit ihm stand.
Schließlich waren die zehn Jahre herum. Als Karl sich nicht rührte, hat der Verwalter des Barons die 2000 Taler angemahnt. Daraufhin ist Karl ins Herrenhaus gegangen und hat den Baron angefleht und um Aufschub
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