Der Lange Weg Des Lukas B.
sein Brot verdienen kann. Als Karl dann 18 Jahre alt wurde, da hatten wir einen schweren Streit. Danach schien es mit seinem Drang zu malen nachzulassen. Er begann in Wirtshäusern herumzusitzen, ging oft nach Ortelsburg hinüber, verkaufte ab und zu ein Bild und machte auf den Kirchweihfesten den Scherenschneider. Die Leute mussten sich fünf Minuten still vor ihn hinsetzen und schon hatte er aus schwarzem Papier ihr Profil geschnitten. Fünf Groschen kostete so ein Bild. Obwohl er diesen hohen Preis verlangte, lief sein Geschäft an solchen Tagen gut. Abends im Wirtshaus spielte er dann Karten. Der Einsatz war so hoch, dass viele Mitspieler rote Köpfe bekamen. Manchmal verlor Karl in einer halben Stunde, was er den ganzen Tag über verdient hatte, aber meistens hat er den Leuten das Geld abgenommen. Mit der Zeit ist er immer häufiger betrunken nach Hause gekommen. Einmal hat unser Hund jämmerlich gejault. Ich habe nachgesehen, was da los war. Karl lag zwanzig Meter von unserem Haus entfernt wie tot im Schnee. Großmutter und ich haben den schweren Kerl ins Haus getragen, ich habe ihm die Glieder mit Schnee abgerieben, damit wieder Leben hineinkam. Ich sah ihn schon im Suff enden, sein Leben vergeudet, verspielt. Der Ärger stieg in mir auf, wenn er mir nur unter die Augen kam.
Da lernte er deine Mutter kennen. Sie arbeitete in der Küche auf einem Gut bei Lindenort. Du hättest sie als Mädchen sehen sollen, goldgelbes Haar, ein fein geschnittenes Gesicht, zierlich und klein. Sie reichte deinem Vater gerade bis an die Schulter.«
Der alte Mann unterbrach sich. Es schien, als ob er den Jungen für eine Weile vergessen hätte.
»Na, sieh sie dir an, Luke, deine Mutter ist eine schöne Frau.«
Der Junge wurde verlegen. Der alte Mann kümmerte sich nicht darum und fuhr fort: »Dein Vater war wie ausgewechselt. Er malte wie ein Verrückter. Der fahrende Händler Nathan hat ihm kleinere Bilder abgekauft und ist sie auf seinen Rundreisen gut losgeworden. Damals ist Karl mit seinen Bildern auch aufs Gut gegangen und hat sie dem Baron gezeigt. Du hast heute gesehen, dass er leicht zu begeistern ist. Er war von Karls Malerei angetan und hat das Bild, das er über dem Schreibtisch hängen hat, für 15 Taler gekauft. Alle anderen Bilder hat er im Herrenhaus behalten. Er wollte sie seinen Freunden zeigen, wenn sie zur großen Herbstjagd kamen. Damals hat Karl gut verdient. Sein Saufen und Spielen gab er beinahe ganz auf. Ich begann weniger mit meinem Schicksal zu hadern und ab und zu gefiel mir der Gedanke einen Maler zum Sohn zu haben. ›Bist doch ein richtiger Kerl‹, sagte ich ihm, als er mir ein Bild zeigte, auf dem unser Haus zu sehen war. Er hat sich über mein Lob mehr gefreut, sagte Großmutter, als über alle verkauften Bilder zusammen.
Zwei Jahre ist er der Marie, deiner Mutter, nachgelaufen. Aber die Steinwalds wollten so einem Luftikus ihre Marie nicht geben. Sie war erst siebzehn und der alte Steinwald meinte, das wachse sich schon noch aus.
›Wenn ich erst mündig bin‹, hat die Marie dann zu mir gesagt, ›dann heirate ich den Karl, ganz gleich, was sie bei uns zu Hause dazu sagen.‹
Ich hatte mich bei der Gutsherrin, bei der Marie im Dienst stand, nach ihr erkundigt. Die Frau lobte das Mädchen und sagte, was die Marie anfasse, das gelinge ihr auch. Und wenn der alte Steinwald denke, sie würde von dem Karl ablassen, dann habe er sich so geirrt wie Jonas seinerzeit im Fischbauch, als er glaubte, er könne sich vor Gott verstecken. Was die Marie erst einmal in die Hand nehme, das lasse sie nicht mehr los.
Das hast du übrigens von ihr geerbt, Luke«, lachte der alte Mann.
»Wie meinst du das?«
»Ich denke an gestern, an den Fisch. So manchem ausgewachsenen Mann wäre der Schreck in die Glieder gefahren und er hätte bei solch einem Anbiss den Fisch verloren. Aber du hast ihn sicher aufs Eis gebracht.
Genau das habe ich von der Marie erhofft, nämlich, dass sie deinen Vater aufs sichere Eis bringt. An ihr, Junge, kannst es ruhig glauben, hat es nicht gelegen, dass dem Karl das Eis unter den Füßen eingebrochen ist. Ich habe die Heiratspläne von Karl gefördert, wie ich nur konnte. Ich wusste genau, wenn aus dem Jungen noch ein ordentlicher Mann werden konnte, dann schaffte das die Marie. Mit ihren kleinen Händen konnte sie ihn vielleicht leiten.
Damals habe ich in Friedrichshoff einen neuen Dachstuhl auf die Kirche gesetzt. Ich habe den Pfarrer gefragt, ob er die Kirche nicht frisch
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