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Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home

Titel: Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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sie John vor, er würde es mit ihnen »treiben«. Diesen Ausdruck schnappte Gabriella sehr oft auf, fand jedoch nicht heraus, was er bedeutete. Natürlich wagte sie nicht, danach zu fragen. Wenn die Mutter den Vater beschimpfte, gab er keine Antwort. Er trank mehr denn je, und sobald er aus dem Haus floh, stürzte sich Eloise auf ihr Kind, um ihre Wut an ihm auszulassen.
    Um sich zu schützen, schlief Gabriella nach wie vor zusammengekrümmt am Fußende des Betts – eher aus Gewohnheit, denn es gab ohnehin kein Entrinnen. Das wusste sie längst. Eloise fand sie überall. Inzwischen versteckte sich die Tochter auch nicht mehr in den Schränken, weil es nicht der Mühe wert war. Sie nahm einfach hin, was ihr angetan wurde, versuchte tapfer zu sein und zu überleben.
    Irgendetwas musste die eisige Kälte zwischen den Eltern verursacht haben. Obwohl die Mutter sie nie erwähnte, wenn sie den Vater beschimpfte, warf sie ihr vor, sie sei schuld an den Eheproblemen. Das akzeptierte Gabriella ebenso wie die Prügel und ihr trauriges Schicksal.
    Um die Weihnachtszeit in diesem Jahr kam Daddy kaum noch nach Hause, und wenn er sich blicken ließ, geriet Mommy in wilde Wut. Seit einiger Zeit wurde immer öfter ein Name genannt, während sie ihn anschrie – Barbara, »die kleine Nutte ... die Hure, mit der du's treibst«. Wer Barbara war, wusste Gabriella nicht. Sie erinnerte sich an keine Freundin ihrer Eltern, die so hieß. Was da geschah, verstand sie nicht. Aber der Vater schien sich verstärkt von der Mutter zu entfernen, wollte nichts mehr mit ihr zu tun haben. Mit Gabriella sprach er kaum. Wenn er daheim war, betrank er sich regelmäßig und versuchte nicht einmal mehr, seinen Alkoholismus vor der Tochter zu verbergen.
    Den Weihnachtstag verbrachte Eloise in ihrem Zimmer. John war am Vortag verschwunden und kehrte erst während der nächsten Nacht heim. In diesem Jahr gab es keinen Weihnachtsbaum, keine Kerzen, keine Dekorationen, keine Geschenke. Gabriellas Weihnachtsdinner bestand aus einem Schinkensandwich, das sie sich selbst am Heiligen Abend zubereitet hatte. Eine Zeit lang überlegte sie, ob sie der Mutter etwas zu essen bringen sollte. Doch sie wagte nicht, bei ihr anzuklopfen. Sicher war es klüger, keine Aufmerksamkeit zu erregen. Das Kind wusste, wie wütend Mommy jedes Mal auf Daddys Abwesenheit reagierte. Und zu Weihnachten würde sie sich ganz besonders darüber ärgern. So viel verstand die neunjährige Gabriella bereits, obwohl sie sich nicht vorstellen konnte, warum die Eltern einander hassten. Zweifellos hing es mit dieser Barbara zusammen – und natürlich auch mit ihr selbst. So wie üblich.
    Nach Johns Rückkehr beschränkte sich der Streit nicht auf Eloises Schlafzimmer oder sein eigenes. Schreiend verfolgten sie einander durch das ganze Haus, warfen sich alles Mögliche an den Kopf, zertrümmerten Geschirr und Gläser. Dieses Leben könne er nicht länger ertragen, verkündete der Vater. Die Mutter drohte, sie würde ihn und dann sich selber umbringen. Als sie ihn ohrfeigte, schlug er zum ersten Mal zurück. Nach dieser handgreiflichen Auseinandersetzung würde Eloise sich an ihrer Tochter rächen. Das wusste Gabriella. Nun wünschte sie wieder, es gäbe ein sicheres Versteck, einen Zufluchtsort oder Menschen, an die sie sich wenden könnte. Aber sie hatte in all den Jahren vergeblich auf einen Retter gewartet.
    Schließlich verließ der Vater das Haus, und die Mutter befasste sich unverzüglich mit ihr. Was nun geschah, war vorauszusehen. Wie eine riesige, wütende schwarze Krähe mit wehendem Haar und hysterisch blitzenden Augen stürzte sie sich auf die Tochter, mit kraftvollen, unbarmherzigen Fäusten. Nach dem ersten Schlag spürte Gabriella einen stechenden Schmerz im rechten Ohr. Dann prasselten die Fausthiebe auf ihre Brust. Diesmal benutzte Eloise sogar einen Kerzenhalter, den sie mit voller Wucht auf Gabriellas rechtes Bein schmetterte. Gabriella fürchtete, diese Waffe würde auch ihren Kopf treffen. Wunderbarerweise kam es nicht dazu. Nach dem Schock der ersten Minuten schien die Welt ringsum zu verschwimmen. Noch nie war Eloise so wütend gewesen, und Gabriella wusste instinktiv – was immer sie jetzt tun oder sagen mochte, ihr Leben stand auf dem Spiel.
    Sie leistete keinen Widerstand. Wie gewohnt wartete sie einfach nur ab, bis der Sturm verebbte. Als die Mutter sie irgendwann am Boden liegen ließ und aus dem Zimmer ging, konnte Gabriella nicht einmal auf ihr Bett kriechen.

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