Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home
hast du dich völlig verändert. Vor ihrer Geburt haben wir uns geliebt ...« Zum ersten Mal seit vielen Jahren schimmerten auch in Eloises Augen Tränen. »Sie allein hat alle unsere Probleme heraufbeschworen.« Offenbar machte sie Gabriella auch für seine Liebe zu einer anderen Frau verantwortlich.
»O nein, das musst du dir selber vorwerfen«, konterte er. Ihre Tränen ließen ihn kalt. »Als ich merkte, wie sehr du sie hasst, wie grausam du sie immer wieder schlägst, erlosch meine Liebe zu dir – o Gott, eines Tages wird sie uns beide verabscheuen für diese schreckliche Kindheit, die wir ihr zugemutet haben!«
»Sie hat's verdient«, wiederholte Eloise im Brustton der Überzeugung. »Was ich ihr antat, kümmert mich nicht. Um alles hat sie mich gebracht – um unsere Ehe, unsere Liebe ...«
»Seit ihrer Geburt hast du sie gehasst. Wie konntest du?«
»Schon damals sah ich das alles auf uns zukommen.«
»Hör endlich auf mit diesem Unsinn, Eloise! Irgendwann wirst du sie noch umbringen – und den Rest deines Lebens im Gefängnis verbringen.«
»Das ist sie nicht wert«, erwiderte sie entschieden. Diese Gefahr hatte sie längst erkannt, und deshalb war sie nie zu weit gegangen – nicht dem Kind zuliebe, nur in ihrem eigenen Interesse. Aber letzte Nacht hätte sie die Grenze beinahe überschritten. Das wusste John. Er hatte Gabriella ins Krankenhaus gebracht und die Diagnose der Ärzte gehört. Glücklicherweise war er nicht beschuldigt worden, er habe Gabriella geschlagen. Angesichts seiner unverhohlenen Sorge und seines respektablen Namens wäre es ein unverzeihlicher Affront gewesen, ihn ins Verhör zu nehmen. Selbst wenn man ihn verdächtigte – was er nicht hoffte –, hätte man nicht gewagt, ihn anzuklagen.
»Keine Bange, John, ich werde sie nicht töten«, beteuerte Eloise – das leere Versprechen einer völlig gefühllosen Frau. »Das muss ich nicht tun. Sie weiß, was ich von ihr erwarte, und sie kennt den Unterschied zwischen richtig und falsch.«
»Im Gegensatz zu dir.«
Seufzend stand sie auf. »Ich bin müde. Und du langweilst mich. Schläfst du hier, oder gehst du wieder zu deiner kleinen Hure? Wann wirst du diese Affäre beenden?«
Niemals, gelobte er sich. Nicht in tausend Jahren. Zu seiner Frau würde er gewiss nicht zurückkehren. Aber vorerst musste er hier bleiben, um sie zu besänftigen, bevor Gabriella nach Hause kam. So abgrundtief er Eloise auch hasste, das war er seiner Tochter schuldig. Den Rest seines Lebens konnte er ihr nicht opfern. Aber er wollte sein Bestes für sie tun. »Bald gehe ich hinauf«, erwiderte er mit ruhiger Stimme und schenkte sich einen letzten Drink ein. Zum Glück würden sie die Nacht in getrennten Zimmern verbringen. Er wagte nicht, im selben Bett wie Eloise zu schlafen. Womöglich würde sie ihn ermorden. Die Erkenntnis, wozu sie im Stande war, erschreckte ihn. Darauf hatte er Barbara hingewiesen und ihr klar zu machen versucht, wie gefährlich Eloise auch für sie sein konnte. Aber in ihrer Naivität hatte Barbara entgegnet, dass sie keine Angst vor ihr haben würde. Wie sollte sie auch ahnen, welch ein dämonischer Wahnsinn in der schwarzen Seele seiner Frau wohnte? Das konnte sich niemand vorstellen. Niemand außer John und Gabriella.
»Vermutlich möchtest du in deinem eigenen Zimmer schlafen.«
Als sie zur Tür ging, beobachtete er, wie die Schleppe ihres Abendkleids über den Boden schleifte. Er gab ihr keine Antwort. Dafür fehlte ihm die Kraft. Vor seinem geistigen Auge erschien wieder der blutige misshandelte Körper seiner Tochter. Die Tür der Bibliothek blieb offen. Schweigend schaute er seiner Frau nach, die mit langsamen Schritten zur Treppe ging.
Als Gabriella in ihrem Krankenhausbett erwachte, wusste sie nicht, wo sie sich befand. Alles war weiß und sauber und wirkte seltsam steril. An der Zimmerdecke bewegten sich Schatten, in einer Ecke brannte eine schwache Lampe. Eine Schwester mit gestärkter Haube neigte sich zu ihr hinab. Ein paar Sekunden lang flackerten die Lider der kleinen Patientin, dann öffnete sie die Augen, und die junge Frau lächelte sie an. Was für ein ungewohnter Anblick ... Ein freundliches Gesicht ...
»Bin ich im Himmel?«, wisperte Gabriella. War sie gestorben? Welch ein wundervoller Gedanke ...
»Nein, im St. Matthew's Hospital, Gabriella. Alles in Ordnung. Vor einer Weile ist dein Daddy heimgefahren. Morgen wird er dich besuchen.«
Gabriella wollte fragen, ob ihr die Mutter böse sei, weil sie
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