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Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home

Titel: Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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hier lag, und ob sie je wieder nach Hause zurückkehren müsse. Wenn sie krank war – durfte sie dann hier bleiben? So viele Fragen schwirrten durch ihren Kopf. Doch sie wagte keine einzige auszusprechen, und so nickte sie nur. Sogar diese kraftlose Bewegung tat höllisch weh.
    »Versuch dich möglichst wenig zu rühren.« Die junge Schwester sah Gabriellas schmerzverzerrtes Gesicht. Kein Wunder nach der heftigen Gehirnerschütterung ... Und aus einem Ohr rann immer noch Blut. »Dein Daddy hat uns erzählt, du seist die Treppe hinabgefallen. Welch ein Glück, dass er dich rechtzeitig gefunden hat! Wir werden dich gesund pflegen.« Trotz der Schmerzen nickte Gabriella dankbar und schloss die Augen.
    Später weinte sie im Schlaf, und in den nächsten Stunden hielt eine ältere Schwester an Gabriellas Bett Wache. Sorgfältig überprüfte sie die Atmung, den Blutdruck, den Puls und wechselte regelmäßig den Verband am Bein des Kindes. Hin und wieder betrachtete sie das kleine Gesicht und runzelte nachdenklich die Stirn. Es gab Fragen, die wohl niemals beantwortet wurden – Fragen, die man den Angehörigen stellen müsste. Aber dazu würde sich wohl niemand durchringen. Solche Verletzungen hatte sie schon oft gesehen. Normalerweise wurden allerdings nur Kinder aus ärmlichen Verhältnissen in diesem Zustand eingeliefert. Und danach kehrten sie nach Hause zurück.
    Auch Gabriella würde heimkehren. Die meisten Kinder wurden immer wieder in die Klinik gebracht. Drohte dieses Schicksal auch der armen kleinen Gabriella? Oder waren ihre Eltern nach diesem schrecklichen »Unfall« zur Besinnung gekommen? Schwer zu sagen ...
    Gabriellas unruhiger Schlaf dauerte bis zum späten Vormittag. Während der nächsten Tage öffnete sie nur selten die Augen. Zwei Mal betrat ihr Vater das Krankenzimmer und erklärte den Ärzten und Schwestern, ihre Mutter sei krank und könne sie nicht besuchen. Dafür zeigten sie Verständnis, bekundeten ihr Mitgefühl und beglückwünschten ihn zu seiner braven kleinen Tochter. Niemals machte sie Schwierigkeiten, niemals stellte sie Forderungen, und sie war so dankbar für alles, was ihr hier geboten wurde. Sie sagte nichts, lag einfach nur da und beobachtete die Ereignisse ringsum. Und jedem, der sie anschaute, schenkte sie ein Lächeln.
    Am Neujahrstag wurde sie aus der Klinik entlassen, und der Vater holte sie ab. Er hatte ihr Kleider mitgebracht – einen marineblauen Mantel, ein graues Wollkleid, weiße Kniestrümpfe und rote Schuhe. Einen Hut und Handschuhe hatte er vergessen. Als sie sich von den Ärzten und Schwestern verabschiedete, dankte sie ihnen höflich, weil sie so gut zu ihr gewesen waren. Bevor sich die Türen des Lifts schlossen, winkte sie ihnen noch einmal zu. Was für ein nettes Kind, meinten sie alle. Wie schade, dass nicht alle kleinen Patienten so brav waren. Am Vorabend hatte Gabriella sogar gestanden, sie würde nur ungern nach Hause gehen.
    »So etwas habe ich noch nie erlebt«, bemerkte eine der Schwestern, bevor sie zu einem ihrer Schützlinge eilte, den ein heftiger Keuchhusten plagte. Gabriella war der Liebling der Kinderabteilung gewesen, und das Personal hätte sie gern noch etwas länger hier behalten. Wie schwer es ihr fiel, diesen sicheren Hafen zu verlassen, ahnte niemand. Ein paar Tage lang war sie im Himmel gewesen. Jetzt musste sie in die Hölle zurückkehren.
    Daheim wartete ihre Mutter, die Stirn gerunzelt, mit vorwurfsvollem Blick. Kein einziges Mal hatte sie Gabriella im Krankenhaus besucht und wiederholt erklärt, es sei unnötig, das Kind dermaßen zu verhätscheln. Eine wahre Schande! John widersprach ihr nicht, denn selbst sie musste doch sehen, wie blass Gabriella war. Wegen ihres verletzten Ohrs litt sie zusätzlich an Gleichgewichtsstörungen.
    »Hast du jetzt lange genug krank gespielt und die Aufmerksamkeit von all den Ärzten und Schwestern erregt?«, fauchte Eloise, während John nach oben ging, um Gabriellas Sachen in ihr Zimmer zu bringen und das Bett zu machen. Der junge Doktor hatte ihm erklärt, sie würde noch sehr viel Ruhe brauchen.
    »Tut mir Leid, Mommy.«
    »Ja, das sollte dir auch Leid tun«, erwiderte Eloise, kehrte ihrer Tochter abrupt den Rücken und ging davon.
    Gabriella aß mit ihren Eltern zu Abend. Während der ganzen Mahlzeit herrschte drückendes Schweigen. Eloise war ihrer Tochter wie üblich böse und der Vater in einer anderen Welt versunken, nachdem er stundenlang getrunken hatte. Als Gabriella ein bisschen Wasser

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