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Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home

Titel: Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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so schwer verletzten konnte. Einmal sah sie auf dem schmalen Rücken des Mädchens den Abdruck einer Hand, mit deutlichen Konturen, wie gemalt. Wie er entstanden war, erriet sie mühelos.
    Manchmal wünschte sie beinahe, das Kind würde weglaufen. Auf der Straße wäre es besser aufgehoben als bei seiner Mutter. Wenn Gabriella auch ein Dach über dem Kopf hatte, gekleidet und halbwegs ernährt wurde – sie bekam nicht den Hauch von Liebe zu spüren. Aber sollte sie tatsächlich durchbrennen, würde die Polizei sie sowieso bald zurückbringen. Was immer Mrs Harrison ihrem Kind antat, die Beamten würden sich nicht in familiäre Angelegenheiten einmischen.
    Das hatte auch Gabriella längst erkannt – die Erwachsenen würden sie nicht schützen. Niemals würde ein edler Ritter in schimmernder Rüstung auf einem weißen Pferd erscheinen, um sie zu retten. Die Leute kehrten ihr einfach den Rücken zu oder schlossen die Augen. So wie ihr Vater.
    Während der Winter in den Frühling überging, wurde Eloises Hass gegen ihr Kind allmählich von Gleichgültigkeit verdrängt. Was es tat, war ihr egal, solange sie nichts davon sah oder hörte. In letzter Zeit hatte sie ihre Tochter nur mehr verprügelt, weil sie glaubte, Gabriella würde »vorgeben«, die Befehle der Mutter nicht zu verstehen. Infolge der jahrelangen brutalen Züchtigungen hatte sich ihr Gehör tatsächlich verschlechtert. Wenn Eloises Stimme aus einer gewissen Richtung zu ihr drang oder wenn andere Geräusche im Zimmer erklangen, entging ihr der Wortlaut. Darüber beklagte sie sich kein einziges Mal. Dieses kleine Gebrechen behinderte sie nur in der Schule, und niemand außer ihrer Mutter schien es zu bemerken.
    »Ignorier mich nicht!«, kreischte sie ständig und fiel mit erhobenen Fäusten über ihre Tochter her. Wenn Frank zu Besuch kam, was sehr oft geschah, beherrschte sie sich. In seiner Gegenwart rührte sie Gabriella nicht an – nur wenn sie mit ihr allein war, wenn er sie enttäuschte, nicht pünktlich vor der Tür stand oder sie anzurufen vergaß. »Er hasst dich, du kleines Biest! Nur deinetwegen lässt er mich heute Abend sitzen!«
    Daran zweifelte Gabriella keine Sekunde lang, und sie fragte sich, was geschehen mochte, wenn er überhaupt nicht mehr erschien. Das war zwar kaum zu befürchten, aber dann erklärte er, im April würde er nach San Francisco zurückkehren. Gabriella spürte Eloises wachsende Nervosität – wie stets ein bedrohliches Omen.
    Im März besuchte Frank ihre Mutter jeden Tag. Die Tür der Bibliothek wurde geschlossen, damit er ungestört mit Eloise reden konnte, oder sie gingen nach oben ins Schlafzimmer, wo sie stundenlang blieben. Was sie da machten, konnte sich Gabriella nicht vorstellen. Jedenfalls waren sie erstaunlich still. Wenn Frank ihr begegnete, lächelte er freundlich, sagte aber kein Wort. Offenbar hatte Mommy ihm verboten, mit ihr zu reden. In ihrem eigenen Heim wurde Gabriella wie eine Aussätzige behandelt.
    Schließlich flog er nach San Francisco. Zu Gabriellas Verblüffung schien das ihre Mutter nicht sonderlich zu stören. Ganz im Gegenteil – sie wirkte so fröhlich und geschäftig wie schon lange nicht mehr. Mit Gabriella wechselte sie kaum ein Wort – ein wahrer Segen. Sie schien verschiedenste, zahlreiche Vorbereitungen zu treffen. Einen Großteil ihrer Zeit verbrachte sie am Telefon und sprach mit ihren Freunden. Wenn Gabriella das Zimmer betrat, senkte sie sofort die Stimme, als würde sie irgendwelche Geheimnisse erzählen, nicht ahnend, dass ihre Tochter ohnehin nichts hörte.
    Drei Wochen nach Franks Abreise holte Eloise mit Jeannies Hilfe einige Koffer aus dem Keller und schleppte sie nach oben. Alles, was sie besaß, schien sie darin zu verstauen. Gabriella fragte sich, wann Mommy ihr befehlen würde, ihre eigenen Sachen zu packen. Dazu wurde sie erst ein paar Tage später aufgefordert. »Wohin fahren wir?«, erkundigte sie sich vorsichtig. Nur selten wagte sie eine Frage zu stellen. Aber sie wusste nicht, was sie mitnehmen sollte, und sie wollte die Mutter nicht verärgern, indem sie die falschen Kleidungsstücke heraussuchte.
    »Ich fahre nach Reno«, erklärte Eloise kurz angebunden, was ihrer Tochter nichts sagte. Wo das war und wie lange sie dort bleiben würden, getraute sie sich nicht zu fragen, und sie hoffte nur, sie würde die richtigen Sachen auswählen. Sie ging in ihr Zimmer und machte sich an die Arbeit.
    Würden sie Frank in Reno treffen? Ob sie ihn mochte, wusste sie nicht.

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