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Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home

Titel: Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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Schwester Lizzie – Schwester Timothy – Schwester Mary Margaret – Schwester John. Und die hoch gewachsene Frau mit den klugen Augen, die Gabriella wortlos unter ihre Fittiche genommen hatte, wie ein kleines Vögelchen mit gebrochenen Flügeln. Während sie sich wie üblich am Fuß des Betts zusammenrollte, spürte sie bereits, wie die seelischen Wunden zu verheilen begannen.
    Am nächsten Morgen wurden die Mädchen um vier Uhr geweckt. Die ersten beiden Stunden des Tages verbrachten sie in der Kirche mit den Nonnen und beteten stumm. Kurz vor Sonnenaufgang sangen sie alle. Noch nie hatte Gabriella etwas Schöneres gehört als diese Stimmen, die sich erhoben, um den Allmächtigen zu preisen. Jahrelang hatte sie ihn vergeblich angefleht und oft bezweifelt, dass er ihr überhaupt zuhörte. Aber hier im Kloster erkannte auch sie die unwiderstehliche Kraft seiner Liebe, in der sich alle Schwestern geborgen fühlten. Später, als sie sich zur ersten Mahlzeit des Tages im Speisesaal versammelten, wurden ihre Herzen von tiefem innerem Frieden erfüllt.
    Beim Frühstück schwiegen die Nonnen und bereiteten sich seelisch auf ihr Tagewerk außerhalb der Klostermauern vor, im Hospital und in der Schule. Den Kranken würden sie Trost spenden, den Schülern den Reichtum ihres Wissens schenken. Lächelnd nickten sie einander zu und verließen den Saal. Die älteren Nonnen, die nicht mehr in weltlichen Einrichtungen arbeiteten, zogen sich in ihre Einzelzellen zurück. So wie Gabriella, Natalie und Julie, teilten sich jeweils drei oder vier Postulantinnen und Novizinnen ein Zimmer. Die drei Mädchen wurden in einem kleinen Schulraum von älteren Schwestern unterrichtet, ehemaligen Lehrerinnen. Um halb acht begannen die Schulstunden, die bis zum Mittag dauerten. Danach nahmen sie mit den Nonnen, die daheim blieben, den Lunch ein.
    Den ganzen Tag hoffte Gabriella vergeblich auf eine Begegnung mit Mutter Gregoria. Erst beim Dinner sah sie die Oberin wieder. Da leuchteten die blauen Kinderaugen auf. Schüchtern ging das kleine Mädchen zu ihr, und Mutter Gregoria fragte mit einem warmherzigen Lächeln, wie Gabriellas erster Tag im Kloster verlaufen sei. »Hast du in der Schule hart gearbeitet?«
    Gabriella nickte. Hier musste sie sich viel mehr anstrengen als in der Schule, die sie bisher besucht hatte, und es gab auch keine Erholungspausen. Trotzdem gefiel ihr der Unterricht – ebenso wie dieses neue Leben in einer Gemeinde, wo jeder eine ganz bestimmte Aufgabe und ein Ziel vor Augen hatte. Hinter diesen Mauern, fern von der Außenwelt, herrschte das Gesetz des Gebens, nicht des Nehmens. Jede Schwester war aus einem besonderen Grund hierher gekommen. Und von jeder erwartete man, dass sie ihre Seele öffnete, um anderen zu helfen. Diese Pflicht schien sie nicht zu belasten, sondern zu bereichern. Das spürten sogar die Kinder – Julie, Natalie und »Gabbie«, wie sie von allen Nonnen genannt wurde. Zu ihrer eigenen Verblüffung freute sie sich darüber.
    Hier ließ sich nichts mit dem Leben vergleichen, das sie gewohnt war. Diese schwarz gekleideten Frauen stellten das gerade Gegenteil von Mommy dar. Im St. Matthew's kannte man keine Eitelkeit, keinen Egoismus, keinen Zorn. Stattdessen widmete man sich der Liebe, der Harmonie, dem Dienst an Bedürftigen. Und alle waren glücklich – so wie Gabriella zum ersten Mal in ihrem kurzen Dasein.
    Abends kamen zwei Priester in das Kloster, um den Schwestern die Beichte abzunehmen. Jede Woche erschienen sie vier Mal. Schwester Lizzie fragte Gabriella, ob sie gern beichten würde. Vor vier Jahren hatte ihre erste heilige Kommunion stattgefunden, und so durfte sie am Sakrament teilnehmen. Da die Schwestern täglich die Kommunion empfingen, dauerten ihre Beichten nicht lange. Danach beteten sie, um ihre geringfügigen Sünden zu sühnen.
    Auch Gabriellas Beichte war kurz – aber sehr aufschlussreich für den Priester, der ihr zuhörte. Nachdem sie erklärt hatte, wie lange sie nicht mehr zur Beichte gegangen war, gestand sie ihren Hass gegen die Mutter.
    »Warum hasst du sie, mein Kind?«, fragte er sanft. Er war der ältere der beiden Priester, ein gütiger Mann, der sein Amt seit vierzig Jahren ausübte und sich allen Kindern in tiefer Liebe verbunden fühlte. Aufmerksam lauschte er der jungen Stimme, die durch das Gitter des Beichtstuhls drang. Von Mutter Gregoria hatte er bereits erfahren, dass eine neue Mitbewohnerin ins Kloster gezogen war. »Warum lässt du dich vom Teufel zu einer

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