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Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home

Titel: Der lange Weg nach Hause - The Long Road Home Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Danielle Steel
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Sie wären mir vielleicht böse, Mutter Gregoria ...«
    »Nein, ich möchte nur mit dir reden –über deine Mutter.« Bei diesen Worten begann Gabriella am ganzen Körper zu zittern. Natürlich hatte sie erwartet, Mommy eines Tages wiederzusehen, und sie in gewisser Weise sogar vermisst. Seit jener Beichte versuchte sie, ihren Hass gegen die Mutter zu bekämpfen, und sie hatte unzählige Ave-Marias gebetet. Hatte der Priester mit der Oberin über jene Sünde gesprochen? Die weise alte Nonne spürte die wachsende Furcht des Kindes und fügte hinzu: »Gestern rief mich deine Mutter aus Kalifornien an.«
    »Aus Reno?«
    »Nein«, erwiderte Mutter Gregoria lächelnd. »Offensichtlich musst du deine geografischen Kenntnisse verbessern. Reno liegt in Nevada, und Kalifornien ist ein anderer Staat.«
    »Ist sie denn nicht in Reno?«, fragte Gabriella verwirrt.
    »Dort war sie. Jetzt ist sie geschieden und nach Kalifornien gezogen – nach San Francisco.«
    »Da wohnt Frank«, erklärte Gabriella.
    Das wusste die Oberin bereits. Sie hatte ein sehr langes Telefongespräch mit Mrs Harrison geführt und sie aufgefordert, selbst mit ihrer Tochter zu reden. Aber Eloise hatte sich geweigert und sie gebeten, diese Aufgabe zu übernehmen. »Das ist richtig ...«, bestätigte die Nonne und holte tief Atem. Ihre nächsten Worte wählte sie sehr sorgfältig, um das Kind nicht unnötig zu schockieren. »Deine Mutter und Frank, den du zu kennen scheinst ...« Aufmerksam suchte sie in den blauen Augen nach Anzeichen von Argwohn oder Unbehagen, sah aber nur die Angst, die Gabriella schon seit einigen Minuten erfüllte. »Morgen wollen die beiden heiraten.«
    »Oh ...« Gabriella blinzelte verständnislos. Mehr als zehn Worte hatte sie nicht mit Frank gewechselt. Meistens hatte er sie ignoriert. Warum würde Mommy diesen Fremden heiraten? Nur der Allmächtige mochte wissen, wo Daddy jetzt lebte. Sie glaubte immer noch, sie würde eines Tages von ihm hören. Aber sie hatte ihn schon so lange nicht gesehen. Wieder einmal wurde ihr schmerzlich bewusst, wie einsam sie war.
    Nun musste die Oberin den schwierigsten Teil ihrer aufgezwungenen Pflicht erfüllen und dem Kind mitteilen, was sie von Mrs Harrison erfahren hatte. »Deine Mutter und ihr neuer Mann werden in San Francisco leben.«
    Enttäuscht hielt Gabriella den Atem an. Bald würde sie das Kloster verlassen und in eine fremde Stadt ziehen und erneut ums Überleben kämpfen müssen, jeden Tag, jede Stunde. Eine neue Schule, neue Freundinnen ... Oder sie würde niemanden finden, der ihr Herz gewinnen könnte. Sie würde bei einem fremden Mann leben, bei Mommy, vor der sie sich fürchtete, die sie hasste. Und sie musste sich von den geliebten Nonnen trennen. »Wann muss ich abreisen?«, fragte sie ohne Umschweife, und Mutter Gregoria sah irgendetwas in den Kinderaugen sterben. Schon bei der ersten Begegnung war ihr dieser leblose Blick aufgefallen.
    Fast eine Minute lang schwieg sie, bevor sie erwiderte: »Deine Mutter glaubt, bei uns würdest du dich wohler fühlen, Gabbie.« Mit diesen freundlichen Worten umschrieb sie, was Mrs Harrison ihr anvertraut hatte. Sie wäre einfach unfähig, wieder mit ihrer Tochter zusammenzuleben. Außerdem wollte sie ihr eigenes Glück nicht gefährden und ihren neuen Ehemann nicht mit einem Kind belasten, das ihr selber stets ein Gräuel gewesen war. In brutaler Offenheit hatte sie mit der Oberin gesprochen und sich erboten, die Kosten für Gabriellas Lebensunterhalt zu bestreiten, »solange sie bei Ihnen bleiben kann«. Also noch viele Jahre, hatte Mutter Gregoria diese Äußerung durchaus richtig interpretiert. Eloise plante nicht, ihre Tochter irgendwann nach San Francisco zu holen, und sie schien auch keine Gewissensbisse zu verspüren. Auf die Frage der Nonne, ob Gabriella bei ihrem Vater wohnen könne, entgegnete die Mutter, daran sei er nicht interessiert. Selbstverständlich wusste die Oberin, dass dies den Kummer begründete, den sie so oft in Gabriellas Augen las – oder zumindest teilweise. Weder die Mutter noch der Vater liebten das Kind, sie wollten nichts mit ihm zu tun haben.
    »Mommy will mich nicht zu sich nehmen«, sagte Gabriella unverblümt. Diese Erkenntnis schien sie nicht zu bedrücken, sondern zu erleichtern, was die Nonne überraschte.
    »So darfst du's nicht sehen, Gabriella. Sie ist wohl noch verwirrt und unglücklich, weil dein Vater euch beide verlassen hat. Nun möchte sie die Chance nützen, ein neues Leben zu beginnen. Und

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